Der Autor, Professor für Zeitgeschichte an der Pariser Sorbonne, will "eine Synthese der Arbeiten über die Geschichte der Intellektuellen" (9) geben; ein Gebiet, auf dem die Sozialgeschichte der letzten 15 Jahre intensiv geforscht hat. Gleichwohl sind die Probleme immens; sie beginnen mit der Unschärfe der Abgrenzung, was ein "Intellektueller" überhaupt sei, und sie enden mit der Schwierigkeit eines auch nur die wichtigsten Länder Europas umfassenden Vergleichs einer selbst für ein Land schlecht faßbaren sozialen Gruppe. Der erste Teil der im Original bereits 1996 erschienen Untersuchung befaßt sich mit der Erringung liberaler Freiheit als fundamentaler Zielsetzung der europäischen Intellektuellen - und der zweite Teil damit, wie die "Regeln des intellektuellen und kulturellen Lebens, die bis dahin akzeptiert wurden, [...] zusehends in Frage gestellt" (17) werden. Das Buch ist zugleich Sozialgeschichte, politische und Ideengeschichte, es schildert die Besonderheiten der einzelnen Länder und ihre strukturellen Ähnlichkeiten, die zur fortschreitenden Autonomie der Intellektuellen führen. Gerade die ständige Anbindung an sozialgeschichtliche Entwicklungen erlaubt es Charle, sich seinem Gegenstand zu nähern, ohne den Erdboden zu verlassen. Ein imponierendes, vielschichtiges und anregendes Werk. Inhalt: 1. Die "Zeit der Philosophen" (1815 bis 1860): Das Gewicht der Zwänge; Geistige Macht und gesellschaftliches Handeln. 2. Die Zeit des Sammelns (1860 bis 1914): Der Wandel des geistigen Lebens nach 1860; Die Entwicklung der intellektuellen Strategien; Neue Bilder und neue Kämpfe; Ausblick: Die Zukunft der Intellektuellen in Europa.