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/ 12.06.2014
Marie-Christine Kajewski

Wahrheit und Demokratie. Eine Zeitdiagnose der Postmoderne

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014 (Politika. Passauer Studien zur Politikwissenschaft 10); 253 S.; brosch., 44,- €; ISBN 978-3-8487-0984-7
Politikwiss. Diss. Passau; Begutachtung: H. Oberreuter, J. Manemann. – Die Demokratie sehe sich derzeit der Banalisierung und Hoffnungslosigkeit ausgesetzt, schreibt Marie‑Christine Kajewski unter Hinweis auf deren postdemokratische Züge und die damit zusammenhängende Wahrheitsvergessenheit. Sie verfolgt daher auf eindrucksvolle Weise das Ziel, „ein Wahrheitsverständnis zu gewinnen, das mit liberaldemokratischen Grundannahmen kompatibel ist“ (13). Dazu fasst sie im Rückgriff auf Heidegger Wahrheit zunächst als „Grundzug alles Seienden und als Ermöglichungsbedingung einer sinnhaften Lebenswelt“ (15) auf. Im Dreischritt Diagnose, Anamnese und Therapeutische Kritik arbeitet Kajewski souverän die Ursachen der Krise (Postdemokratie), das Verhältnis von liberaler Demokratie und liberaler Tradition im Hinblick auf die Wahrheit sowie ein Wahrheitsverständnis heraus, das Wahrheit als geschichtliche Wahrheit fasst, „die ereignishaft anwest“ (50). Bescheinigt werden der Demokratie Selbstüberforderung, Politikverdrossenheit und Vertrauensverlust, was unter anderem damit zusammenhänge, dass „[d]ie aktuellen Lebensverhältnisse […] keine längere Kontinuität auf[weisen]“ (64). In diesem Zusammenhang konstatiert die Verfasserin, dass es sich bei den „beschriebenen Funktionsstörungen der Demokratie westlicher Prägung um relativistische, also von der Wahrheitsfrage entkoppelte Phänomene handelt“ (97). In der folgenden Auseinandersetzung mit liberaler Demokratie sowie liberaler Tradition und deren jeweiligen Bezug zur Wahrheit stellt Kajewski heraus, dass Wahrheit beim „Auseinandertreten der gesellschaftlichen und politischen Sphäre“ durchaus „heilend wirken“ (173) kann. Die Demokratie sei auf die Mitwirkung selbstbestimmter Bürger angewiesen, die ohne Wahrheit nicht erreichbar sei. Abschließend stellt die Verfasserin einen Begriff der Wahrheit dar, der Heideggers Verständnis von Wahrheit als Ereignis folgt. Dieses geschichtsbezogene und wirkende Verständnis von Wahrheit wird anhand der Debatten um die Ausarbeitung des Grundgesetzes durch den Parlamentarischen Rat illustriert.
Timo Freudenberger (TF)
Dr., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 5.415.42 Empfohlene Zitierweise: Timo Freudenberger, Rezension zu: Marie-Christine Kajewski: Wahrheit und Demokratie. Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37183-wahrheit-und-demokratie_45581, veröffentlicht am 12.06.2014. Buch-Nr.: 45581 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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