/ 03.06.2013
Michael Weingarten (Hrsg.)
Warum Hannah Arendt? Aufklärungsversuche linker Mißverständnisse
Bonn: Pahl-Rugenstein 2000; 192 S.; hardc., 15,28 €; ISBN 3-89144-226-2Der Band versammelt Beiträge, die die gegenwärtige Renaissance der Beschäftigung und Auseinandersetzung mit Arendt kritisch hinterfragen wollen. Im Zentrum der Kritik steht dabei die von Arendt in "Vita Activa" vorgestellte Unterscheidung zwischen Arbeiten, Herstellen und Handeln. Einige Beiträge sehen in dieser Unterscheidung eine Unterbelichtung des Arbeits-Begriffes, den Arendt auch negativ gegenüber dem des Handelns absetzt (und ja bewusst als Kritik an Marx verstanden hatte). Dagegen setzt der Band tendenziell eine Rehabilitierung des Arbeits-Begriffes sowie eine Kritik der Vernachlässigung ökonomischer Aspekte in der Theorie Arendts. Weingarten stellt die Frage, "ob ihr [Arendts] Modell der Republik-Gründung angesichts der Globalisierung [...] überhaupt noch argumentative Kraft entfalten kann - oder ob es nicht auf die Idealisierung vorgesellschaftlicher Formen der Gemeinschaftsbildung zurückgreift, die unter den gegenwärtigen Bedingungen der Veränderung resp. des Zerfalls politischer Gestaltungsmöglichkeiten durch die je einzelnen Nationalstaaten zu einer höchst problematischen Re-Nationalisierung führen müssen" (8). Indem einige der Autoren die Arendt'sche Polis als Sklavenhaltergesellschaft porträtieren, in der Interpretation der amerikanischen Verfassung durch Arendt eine Überhöhung sehen, in der deutschen Vereinigung dagegen keine Republikgründung erkennen können und schließlich in Arendts Totalitarismus-Konzeption den Aspekt des Kapitals gestärkt sehen wollen, geht es ihnen in den teils sehr unterschiedlichen Beiträgen in Abwandlung des Buchtitels um Aufklärungsversuche vermeintlicher und tatsächlicher Missverständnisse der Linken in Auseinandersetzung mit Arendt. In jedem Fall bestätigt der Band, dass sich die politische Theoretikerin nur bedingt zur Galionsfigur einer politischen "Richtung" machen lässt.
Inhalt: Michael Weingarten: Mit Hannah Arendt in die "Berliner Republik"? (7-18); Rainer Kattel: Hannah Arendts politische Öffentlichkeit (19-36); Andreas Eisenhauer: Polis: Ein Modell mit Zukunft? (37-46); Torsten Niechoj: Drei Momente des tätigen Lebens und ihr Ort - Das Verhältnis von Politik und Ökonomie bei Hannah Arendt (47-58); Michael Weingarten: Arbeit als Natur? Die Fragwürdigkeit der Unterscheidung von Arbeiten, Herstellen und Handeln (59-83); Michael Schöngarth: Terror und Kapital - Untersuchungen zur Substanzvorstellung im Totalitarismusbegriff Hannah Arendts (84-105); Thomas P. Schneider: Liegt die Gefährdung moderner Demokratien in ihrer Fragmentierung? Die kommunitaristische Herausforderung, Hannah Arendt und die politische Dimension der Zivilgesellschaft (106-150); Christiane Kroll: Jürgen Habermas und seine Reflexionen zur Französischen Revolution: Volkssouveränität als Verfahren. Ein normativer Begriff der Öffentlichkeit? (151-179).
Manuel Fröhlich (MF)
Prof. Dr., Juniorprofessur für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.manuel-froehlich.de).
Rubrizierung: 5.46
Empfohlene Zitierweise: Manuel Fröhlich, Rezension zu: Michael Weingarten (Hrsg.): Warum Hannah Arendt? Bonn: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/3393-warum-hannah-arendt_4470, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 4470
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Prof. Dr., Juniorprofessur für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.manuel-froehlich.de).
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