/ 11.06.2013
Walther Leisler Kiep
Was bleibt ist große Zuversicht. Erfahrungen eines Unabhängigen. Ein politisches Tagebuch
Berlin/Wien: Philo Verlagsgesellschaft 1999; 445 S.; geb., 42,- DM; ISBN 3-8257-0140-9Kiep war u. a. Bundestagsabgeordneter, Mitglied des CDU-Bundesvorstandes und -präsidiums, niedersächsischer Finanzminister und vor allem langjähriger Bundesschatzmeister der CDU. Seine Rolle in den 1999 aufgedeckten CDU-Spendenaffären findet in diesem vor den Enthüllungen erschienenen Band aber keine Berücksichtigung. Zu seiner wichtigsten Tätigkeit gibt Kiep wenig erhellende Auskünfte; er beschränkt sich hierzu - wie überhaupt in diesem Band - weitgehend auf Vorgänge in den 70er- und 80er-Jahren. Aus dieser Zeit berichtet er über Partei- und Fraktionsinterna der CDU/CSU in und zwischen diversen Wahlkämpfen auf Bundes- und Landesebene, seine vielfältigen Aktivitäten im Bereich der Außen- und Deutschlandpolitik sowie seine "peacemaker"-Rolle (355) in der Affäre VW-Lopez 1993-97. Der dem liberalen Flügel der Union zuzurechnende Politiker, der stets auch sehr enge Kontakte zum politischen Gegner pflegte, schildert seine Erlebnisse in Form von Auszügen aus seinen Tagebüchern. Man fragt sich, was dort zu den zahlreichen undokumentierten Tagen zu lesen sein mag. Unterfüttert werden die Tagebuchauszüge durch Zeitdokumente wie beispielsweise Zeitungsartikel und Briefe sowie durch gelegentliche rückblickende Bemerkungen beziehungsweise Klarstellungen des Autors.
Trotz der stets heldenhaften Darstellung der eigenen Rolle und der diversen - nett ausgedrückt - freundlichen politisch-philosophischen Topoi, mit denen Kiep regelmäßig sein Image vom "Gentleman-Politiker" pflegt, bietet dieser Band eine sehr lesenswerte und dabei kurzweilige Lektüre. Als ausgesprochen rühriger Politiker, der - meist hinter den Kulissen - intensiven Kontakt mit nahezu allen Personen der bundesrepublikanischen Zeitgeschichte seit den 60er-Jahren pflegte und an praktisch allen bedeutenden internen Diskussionen und Entscheidungen der Unionsspitze teilnahm, kann Kiep mit seinen Aufzeichnungen streckenweise hochinteressante und oft auch sehr amüsante Einblicke insbesondere in die individuellen Charaktere, menschlichen wie intellektuellen Schwächen von Politikern und daraus resultierende zwischenmenschliche Konflikte bieten. Pointiert schildert er persönliche Gespräche, chaotisch verlaufene Sitzungen von Partei- und Fraktionsgremien aller Art, stundenlange absurde Diskussionen, in denen sich diverse Lokalmatadore ebenso fleißig wie eitel aneinander vorbei profilieren, groteske persönliche Entgleisungen (u. a. regelmäßig seitens Franz Josef Strauß) und Fehden inklusive der Methoden, diese politisch auszutragen. Dabei bekommt so mancher großer Name charmant sein Fett weg. Das zwar annotierte, aber leider fehlerhafte und nicht ganz vollständige Namensregister vereinfacht das Auffinden der meisten erwähnten Personen.
Inhaltsübersicht: John C. Kornblum: Geleitwort (11-13). Vorbemerkung: Das Experiment Buch. Wie alles anfing; In Opposition; Neue Oppositionsstrategien; Die Union im Abseits; Das Ringen um die Polenverträge; "Das Modell Niedersachsen"; Alltag in Lower Saxony; Wer schafft den Wechsel?; Vierter Anlauf auf den Wechsel; Der Schatzmeister: das ungeliebte Amt; Politik auf anderen Ebenen; Brücken in die Zukunft; Persönliches.
Andreas Beckmann (AB)
M. A., Doktorand, Institut für Sozialwissenschaften, Bereich Politikwissenschaft, Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.3 | 2.32 | 2.33 | 2.35 | 4.2 | 2.313
Empfohlene Zitierweise: Andreas Beckmann, Rezension zu: Walther Leisler Kiep: Was bleibt ist große Zuversicht. Berlin/Wien: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/10713-was-bleibt-ist-grosse-zuversicht_12665, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 12665
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M. A., Doktorand, Institut für Sozialwissenschaften, Bereich Politikwissenschaft, Universität Kiel.
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