/ 04.12.2014

Maria Halmer / Anton Pelinka / Karl Semlitsch (Hrsg.)
Was bleibt von der Shoah?
Wien: Wilhelm Braumüller 2012; 269 S.; kart., 27,- €; ISBN 978-3-7003-1803-3Was bleibt, so ist heute mehr denn je im Sinne der Stockholmer Erklärung über den Holocaust vom 28.1.2000 zu fragen, von der Shoah? Die titelgebende Frage stimmt nachdenklich, sind doch die Lehren aus dem nationalsozialistischen Totalitarismus und dem millionenfachen, im deutschen Namen vollzogenen Mord an den Juden in Europa integraler Bestandteil der deutschen Staats‑ oder besser Demokratieraison. Erodiert gerade diese Säule des Erinnerns, die zum innersten, zum identitätsstiftenden Kern nicht nur der deutschen Demokratie gehört? „Wir stehen“, so die Herausgeberin und die Herausgeber im Vorwort, „an einer Zeitenwende: noch geben einzelne Überlebende des Holocaust ein unmittelbares und tief beeindruckendes Zeugnis von der Shoah. Doch es wird unabänderlich eine Zeit ohne diese Zeitzeugen kommen und spätestens dann stellt sich die Frage: ‚Welche Richtung wird die Bedeutung der Shoah für die kommenden Generationen ohne diese Zeitzeugen nehmen??“ (1) Im Sinne der Ziele von Amcha, einer Organisation zur Unterstützung Holocaust‑Überlebender, geht es in den Beiträgen des Bandes aber nicht nur um den künftigen Umgang mit der Erinnerung an die Shoah. Auch die Frage, wie wir heute mit den Überlebenden und ihren Erinnerungen, Geschichten, Belastungen und Traumata umgehen können, wird angesprochen. Ruth Klüger gelingt es in ihrem Beitrag, beide Fragen zu berühren, wenn sie darauf hinweist, dass es neben dem Erzählen‑Wollen – wie vielleicht auch dem Nicht‑Erzählen‑Können – auch eines Zuhörens bedarf, das auch dann nicht abbricht, wenn das Erzählte lang, schwierig oder unangenehm wird. Vielfach werde in solchen Fällen jedoch auf den Modus des Verdrängens umgeschaltet. Wie sehr sich dieses Verdrängen selbst verbietet, macht Klüger anhand des jüdischen Sprichwortes deutlich: „Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt.“ Ohne den Wert der Rettung eines Lebens in Abrede zu stellen, müsse man aber auch festhalten: Eine „Welt, in der ein Kind leben bleibt und neunhundertneunundneunzig Kinder mit voller Absicht ermordet werden, eine solche Welt ist nicht ‚gerettet? [...]“ (13).
{LEM}
Rubrizierung: 2.4 | 2.23 | 2.312 | 2.5 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Maria Halmer / Anton Pelinka / Karl Semlitsch (Hrsg.): Was bleibt von der Shoah? Wien: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37846-was-bleibt-von-der-shoah_43661, veröffentlicht am 04.12.2014. Buch-Nr.: 43661 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA