/ 22.06.2013
Matthias Machnig (Hrsg.)
Welchen Fortschritt wollen wir? Neue Wege zu Wachstum und sozialem Wohlstand
Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2011; 252 S.; kart., 22,90 €; ISBN 978-3-593-39604-0Auf der Suche nach einem zugkräftigen programmatischen Schlagwort wendet sich die deutsche Sozialdemokratie dem Fortschritt zu. Im Januar 2011 legte der Parteivorstand der SPD einen Programmentwurf unter dem Titel „Neuer Fortschritt“ vor. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat zusammen mit der Otto-Brenner-Stiftung (IG Metall) und der Hans-Böckler-Stiftung (DGB) ein Fortschrittsforum ins Leben gerufen, das – auch in Auseinandersetzung mit der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ des Deutschen Bundestages – Debatten Raum bieten will. Innerhalb dieses sozialdemokratischen Diskurses bezieht das Buch eine dezidiert linke Position. Das zeigt sich etwa in der harten Kritik in einigen Beiträgen an der Politik der Schröder/Steinmeier-Regierungen. So schreibt Christoph Butterwege: „Echten Fortschritt gibt es nur mit einer SPD, die radikal mit ihrer jüngsten Regierungspraxis auf Bundesebene gebrochen hat.“ (79) Zudem kritisiert Heiner Flassbeck polemisch zugespitzt den gegenwärtigen Regierungskurs. In seiner nachfragetheoretischen Argumentation wird die Schuldenkrise als „Märchen“ enttarnt. Das Kernproblem der öffentlichen Debatte liege in dem betriebswirtschaftlichen Herangehen – man denke an die berühmte schwäbische Hausfrau – an volkswirtschaftliche Probleme. Mit Keynes und der volkswirtschaftlichen Saldenmechanik argumentiert Flassbeck für eine gesamteuropäische Wachstumspolitik, die die Ungleichgewichte nicht nur bei den Leistungsbilanzdefiziten angeht, sondern auch Überschussländer wie die Bundesrepublik in die Pflicht nimmt. Klaus Dörre analysiert die gegenwärtige Krise des Finanzmarktkapitalismus als eine ökonomisch-ökologische Doppelkrise, in der eine „finanzkapitalistische Landnahme“ (222) alle gesellschaftlichen Bereiche erobert habe und in der eine konventionelle, auf weiteres Wachstum setzende sozialpolitische Strategie moderater Umverteilung an der Endlichkeit der Ressourcen und der Verletzlichkeit der Biosphäre scheitere. Der politischen Linken sei die Aufgabe gestellt, Wege zu einer nichtkapitalistischen Postwachstumsgesellschaft aufzuzeigen. Als konkrete politische Forderungen verbindet Dörre damit eine öffentliche Kontrolle der Banken sowie des Energie- und Finanzsektors, eine Wirtschaftsdemokratie, neue Eigentumsformen sowie eine „Umverteilung und die Einschränkung negativer Freiheiten, die auf Kosten großer Mehrheiten in Anspruch genommen werden“ (230).
Sebastian Lasch (LA)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.2 | 2.26 | 2.3 | 2.34
Empfohlene Zitierweise: Sebastian Lasch, Rezension zu: Matthias Machnig (Hrsg.): Welchen Fortschritt wollen wir? Frankfurt a. M./New York: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/34709-welchen-fortschritt-wollen-wir_41718, veröffentlicht am 12.04.2012.
Buch-Nr.: 41718
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M. A., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
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