/ 13.05.2015
Schweizerisches Rotes Kreuz (Hrsg.)
Who cares? Pflege und Solidarität in der alternden Gesellschaft
Zürich: Seismo 2013 (Gesundheit und Integration – Beiträge aus Theorie und Praxis); 308 S.; 29,- €; ISBN 978-3-03777-128-0Die Lebenserwartung in den Industrieländern steigt – in der Schweiz, die im Mittelpunkt diese Buches steht, wird im Jahr 2020 voraussichtlich ein Fünftel der Bevölkerung über 65 Jahre alt sein. Dies stellt neue gesellschaftliche und individuelle Herausforderungen an die Pflege und Betreuung von Menschen, die in besonderem Maße der Unterstützung bedürfen. Dem wachsenden Pflegebedarf steht aber eine Verringerung der Anzahl an Pflegekräften gegenüber. Wer also pflegt die „vulnerable“ (8) ältere Bevölkerung – who cares? Mit dieser Fragestellung beschäftigen sich Autorinnen und Autoren aus Österreich, Deutschland und der Schweiz. Zentral hierfür sei der Arbeitsmarkt, wie Martin Flügel ausführt. Damit der zukünftige Bedarf an Pfleger_innen ausreichend gedeckt werden könne, gelte es die Zahl der Auszubildenden zu erhöhen. Um den Personalmangel zu beheben, greift die Schweiz heute auf Gesundheitspersonal zurück, das im Ausland ausgebildet wurde, 2010 lag der Anteil bei 36 Prozent. Eine solche Abwerbung bewirkt wiederum einen sogenannten care drain in den Ländern, die das Personal ausgebildet haben. Diese Art der Rekrutierungspolitik sieht das Schweizerische Rote Kreuz kritisch und empfiehlt stattdessen Lösungen auf nationaler Ebene, wie etwa die langfristige strategische Planung des Pflegebedarfs und der Personalbestände. Wie Haushalte von pflegebedürftigen Menschen häufig zu „24 Stunden‑Arbeitsplätzen“ werden und Frauen dabei zu Dumpinglöhnen ausgenutzt werden, zeigt Sarah Schilliger am Beispiel osteuropäischer „Pendelmigrantinnen“ (142). Aus Genderperspektive konstatieren auch Annegret Wigger et. al., dass Sorgearbeit, ‑verantwortung und ‑kosten weitgehend bei den Frauen bleiben: Gegenwärtig wird „die Sorgearbeit in unbezahlter und niedrig bezahlter Form einerseits zwischen Frauengenerationen – Grossmütter betreuen Enkel, Töchter organisieren die Unterstützung für ihre unterstützungsbedürften Eltern – und andererseits zwischen Frauen mit hoher und Frauen mit niedriger Kapitalausstattung um‑ oder ausgelagert“ (100). Zu 80 Prozent kümmern sich ältere Frauen ab 60 Jahren um ihre betreuungsbedürftigen Angehörigen, die selbst älter und somit stark gefordert sind. Dem Begriff des erfolgreichen Alterns setzt Franz Kolland den des gelingenden Alterns gegenüber. Dafür seien drei Faktoren erforderlich: Aktivität, Autonomie und Anerkennung. Um zu verdeutlichen, dass die Älteren keine homogene, benachteiligte Gruppe darstellen, regt er eine Diskussion über eine neue „Alterskultur“ (60) an. Insgesamt führen die Beiträge die Herausforderungen vor Augen, die die demografische Entwicklung für den Bereich der Betreuung und Pflege mit sich bringt.
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Rubrizierung: 2.5 | 2.263 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Schweizerisches Rotes Kreuz (Hrsg.): Who cares? Pflege und Solidarität in der alternden Gesellschaft Zürich: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/38400-who-cares-pflege-und-solidaritaet-in-der-alternden-gesellschaft_43713, veröffentlicht am 13.05.2015. Buch-Nr.: 43713 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA