Skip to main content
/ 03.06.2013
Rüdiger Proske

Wider den Mißbrauch der Geschichte deutscher Soldaten zu politischen Zwecken. Eine Streitschrift

Mainz: v. Hase & Koehler 1996; 100 S.; 3. Aufl.; kart., 19,80 DM; ISBN 3-7758-1351-9
Die im Frühjahr 1995 eröffnete Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht - 1941 bis 1944" des Hamburger Instituts für Sozialforschung sowie der unter gleichem Titel veröffentlichte Katalogband haben zu einer kontroversen Debatte über die Rolle der Wehrmacht als Instrument der NS-Kriegspolitik geführt, die ihren vorläufigen Höhepunkt in der teilweise polemischen Auseinandersetzung im Vorfeld der Münchner Station der Ausstellung im Winter 1996/97 sowie in einer anschließenden Debatte des Deutschen Bundestages zum Thema gehabt hat. Der vorliegende Band ist 1996 erschienen und nimmt das Ausstellungsprojekt zum Anlaß einer "Streitschrift" (so der Untertitel). Mit den Thesen, welche die Ausstellungsmacher zur Diskussion stellen, setzt sich der Verfasser allerdings nur in der Einleitung auseinander. Dabei kennzeichnet er sie in ihren Hauptpunkten als "Generalisierungen", die einen bestimmten Zweck erkennen ließen: "Das Hamburger Institut sucht vorsätzliche Pauschalisierungen allein um politischer Zielvorstellungen willen." (3) Die Zielsetzung des Textes ist eine andere. Ausgehend von dem durch die Ausstellung hervorgerufenen Echo konstatiert der Verfasser: "Plötzlich wurde nämlich klar, daß es sich bei der Hamburger Aktion [gemeint ist die Ausstellung] nur um die Speerspitze einer schon lange sich akkumulierenden Entwicklung handelte." (3) Im Zentrum dieser "Entwicklung" vermutet er die leitenden Mitarbeiter des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes der Bundeswehr (MGFA), namentlich die renommierten Militärhistoriker Manfred Messerschmidt, Wolfram Wette, Bernd Wegener und Jürgen Förster. Ihnen wird eine "enge Verbindung [...] mit der eindeutig linksradikal ausgerichteten Politkampagne des Instituts für Sozialforschung" unterstellt, "als die Fortsetzung von dessen Desinformationskampagne mit anderen Mitteln" (5). Seit den 70er Jahren habe Messerschmidt als der "Leitende Historiker" am MGFA mit den genannten "Sympathisanten" eine "rote Zelle" (5) planmäßig aufgebaut, um damit den Forschungsprojekten des Amtes, namentlich die mehrere Bände umfassende Darstellung "Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg", eine eindeutige politische Orientierung geben zu können: "Nicht um die Erkenntnis der historischen Wissenschaft ging es hier, sondern um die 'volkspädagogische Absicht' im Sinne einer ganz bestimmten Ideologie, - um den Mißbrauch der Geschichte zu politischen Zwecken." (17) Auch in diesem Fall bleibt der Verfasser den Beleg seines Vorwurfs in der Auseinandersetzung mit dem inkriminierten Werk schuldig. Den Hauptteil seiner Schrift macht vielmehr eine "Rekonstruktion" der Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte einzelner Teilbände des angesprochenen Werkes aus, "um Kritik an einem Amt zu üben, das sich nicht gescheut hat, wissenschaftlich fundierte Meinungen zu unterdrücken und damit wieder und wieder gegen das Grundgesetz zu verstoßen" (33). Der Autor spricht von "Pressionen" "bis an den Tatbestand der Nötigung" (29), denen bestimmte Mitarbeiter der Teilbände ausgesetzt gewesen seien. Den "Beleg" für solche Anschuldigungen bilden Unterstellungen zur politischen Gesinnung der Projekt- und Amtsleiter, anekdotenhaft dargebotenes "Insider-Wissen" ohne Quellenangabe oder Autorisierung sowie die Darstellung einer Reihe von zivilrechtlichen Auseinandersetzungen, wobei der Autor nicht umhin kann zu beklagen, daß diese Prozesse in allen Fällen in der Hauptsache zugunsten der Herausgeber bzw. der leitenden Mitarbeiter des MGFA entschieden wurden. So erfahren seine Leser "über den Mißbrauch der Geschichte deutscher Soldaten zu politischen Zwecken" wenig, werden dagegen wieder und wieder mit völlig unbelegten (und in der Tat unbelegbaren) "Charakterisierungen" der vom Autor angegriffenen Historiker konfrontiert, wie der des seit 1994 amtierenden Forschungsbereichleiters am MGFA, Prof. Hans-Erich Volkmann: "In den Kreisen seiner Kollegen gilt Volkmann eher als Intrigant und Opportunist, dessen militärgeschichtliche Qualifikation und Substanz nicht sehr hoch eingeschätzt wird." (61) Methode und Zielsetzung dieser "Streitschrift" disqualifizieren sich in solchen Äußerungen von selbst.
Michael Hein (HN)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Arbeitsstelle für graphische Literatur, Universität Hamburg, freier Lektor, Übersetzer, Publizist.
Rubrizierung: 2.352.312 Empfohlene Zitierweise: Michael Hein, Rezension zu: Rüdiger Proske: Wider den Mißbrauch der Geschichte deutscher Soldaten zu politischen Zwecken. Mainz: 1996, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/2756-wider-den-missbrauch-der-geschichte-deutscher-soldaten-zu-politischen-zwecken_3616, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 3616 Rezension drucken
CC-BY-NC-SA