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/ 10.07.2014
Jan Erik Schulte / Michael Wala (Hrsg.)

Widerstand und Auswärtiges Amt. Diplomaten gegen Hitler

München: Siedler Verlag 2013; 352 S.; geb., 24,99 €; ISBN 978-3-8275-0015-1
Die Rolle des Auswärtigen Amtes in der NS‑Diktatur ist in den vergangenen Jahren Gegenstand bisweilen kontroverser fachlicher und öffentlicher Debatten gewesen. Das lange vorherrschende Widerstandsparadigma als Gründungsmythos des Außenministeriums in der Bundesrepublik wurde dabei zunehmend durch eine kritischere Betrachtungsweise abgelöst. Gleichwohl ließ sich während des NS‑Regimes in den Reihen seiner Beamten widerständiges Verhalten finden, auch wenn die „Gravitationszentren der Opposition außerhalb des Amtes lagen“ (8). Entsprechende Fallbeispiele wurden im September 2011 auf einer Tagung in Tutzing untersucht und werden nun einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Zugrunde gelegt wird dabei ein weiter Widerstandsbegriff, der für jede der vorgestellten Personen individuell geprüft wird. Neben bekannte Männer wie Adam von Trott zu Solz, Rudolf von Scheliha und Ernst von Weizsäcker treten so heute weitgehend vergessene wie der vom Referenten im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes Martin Kröger porträtierte Otto von Strahl. Der anfänglich vom Nationalsozialismus durchaus begeisterte „Mittelmaßdiplomat“ (55) wurde 1938 in den einstweiligen und 1943 dann in den dauerhaften Ruhestand versetzt, verblieb in seinem vorherigen Einsatzland Südafrika, informierte die dortige Regierung über politische Vorhaben und Aktivitäten des NS‑Regimes und veröffentlichte entsprechende Bücher. Nach dem Krieg in die USA ausgewandert, verstarb er dort 1961 weitgehend mittellos – sowohl sein Pensions‑ als auch sein Wiedergutmachungsantrag waren abschlägig beschieden worden. Der Hamburger Historiker Karsten Linne präsentiert einen ambivalenten Fall mit seiner Untersuchung der Rolle Gerhart Feines als Geschäftsträger in Belgrad und Budapest. Von der Unabhängigen Historikerkommission zur Aufarbeitung der Geschichte des Amtes als eines von wenigen positiven Beispielen dargestellt, sieht Linne demgegenüber „wenig Anhaltspunkte für ein abweichendes, widerständiges Verhalten“. Stattdessen „füllte [Feine] seinen Posten offensichtlich effizient aus, ‚funktionierte‘ also im Sinne des Systems“ (115). Hier zeigt sich besonders eindrücklich die Notwendigkeit einer intensiven Detailforschung, zumal die Rolle von historischen Persönlichkeiten im NS‑Regime noch immer geeignet ist, große Emotionen hervorzurufen.
Martin Munke (MUN)
M. A., Europawissenschaftler (Historiker), wiss. Hilfskraft, Institut für Europäische Studien / Institut für Europäische Geschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.3122.35 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Jan Erik Schulte / Michael Wala (Hrsg.): Widerstand und Auswärtiges Amt. München: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37281-widerstand-und-auswaertiges-amt_45675, veröffentlicht am 10.07.2014. Buch-Nr.: 45675 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
CC-BY-NC-SA