/ 06.02.2014
Neva Löw
Wir leben hier und wir bleiben hier! Die Sans Papiers im Kampf um ihre Rechte
Münster: Westfälisches Dampfboot 2013; 159 S.; 19,90 €; ISBN 978-3-89691-945-8Politikwiss. Diplomarbeit Wien. – Mitte der 1990er‑Jahre haben in Frankreich Migrant_innen ohne legale Aufenthaltsgenehmigung, die sogenannten Sans Papiers, begonnen, sich zu organisieren, um gegen staatliche Repressionen und für eine Legalisierung ihres Aufenthaltsstatus zu kämpfen. Welche Formen der Organisierung und des Widerstands stehen den Migrant_innen zur Verfügung? Die Autorin fragt nach den Handlungsmöglichkeiten der Sans Papiers‑Bewegung im Kontext der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse und des vorherrschenden Migrationsregimes. Zunächst legt Neva Löw knapp, verständlich und gut strukturiert die auf marxistischen Ansätzen beruhenden theoretischen Vorannahmen und Grundlagen der Arbeit dar. Im Mittelpunkt steht der Ansatz der Autonomie der Migration. Dieser Ansatz unterstellt der Migration eine „gewisse Eigenlogik, die unabhängig von politischen Maßnahmen funktioniert“ (33). Außerdem rückt er die Subjektivität und das Handeln von Migrant_innen in den Vordergrund. Am Beispiel von zwei Pariser Bewegungen untersucht die Autorin dann die Strategien und Taktiken, die eingegangenen Bündnisse sowie die ideologische Ausrichtung der jeweiligen Bewegung. Bei der ersten Gruppe handelt es sich um die Bewegung Saint Bernard, die 1996 mit der Besetzung einer Pariser Kirche und einem Hungerstreik auf sich aufmerksam machte. Der zweite Fall sind die Streikbewegungen L’acte I und L’acte II der Jahre 2008 bis 2010, bei denen die linke Gewerkschaft CGT eine bedeutende Rolle spielte. An diesen beiden Fallstudien kann die Autorin die Vielseitigkeit des Widerstands deutlich machen. So steht das erste Beispiel für ein „starke[s] Selbstbewusstsein, für sich selbst zu sprechen“ (104) und für eine „Abkehr von der bisherigen Dominanz karitativer Organisationen“ (103). Die Streikbewegung wiederum, die mit einem repressiven Diskurs über nationale Identität einherging, stellte für die Sans Papiers eine neue Widerstandsform dar, die neue Bündnisse auf breiter gesellschaftlicher Ebene ermöglichte. Gemeinsam ist den beiden Bewegungen, so die Autorin in ihrem Schlussresümee, dass sie sich „in einem spezifischen französischen postfordistischen Migrationsregime [verorteten]“ (145), dessen vorherrschendes Merkmal die Bekämpfung der illegalen Migration ist. Diese Logik der Trennung zwischen illegalisierten Migrant_innen und denen mit einem legalen Aufenthaltsstatus wurde im Kampf und Widerstand der beiden Bewegungen nicht durchbrochen.
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.61 | 2.22 | 2.263 | 3.5 | 4.42
Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Neva Löw: Wir leben hier und wir bleiben hier! Münster: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36709-wir-leben-hier-und-wir-bleiben-hier_44906, veröffentlicht am 06.02.2014.
Buch-Nr.: 44906
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Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
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