/ 06.06.2013
Dieter Gosewinkel (Hrsg.)
Wirtschaftskontrolle und Recht in der nationalsozialistischen Diktatur
Frankfurt a. M.: Vittorio Klostermann 2005 (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 180; Das Europa der Diktatur 4); LIX, 427 S.; kart., 89,- €; ISBN 3-465-03366-3Der Band enthält die Beiträge des von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften im Juni 2001 veranstalteten Workshops zum Thema Wirtschaft und Recht im Nationalsozialismus. Im Kern fragen die Autorinnen und Autoren aus juristischer, historischer, wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Perspektive nach Legitimation und Wirksamkeit der wirtschaftsrechtlichen Methoden des „Dritten Reiches“. Einigkeit besteht in der These, dass in bestimmten ideologischen Kernfragen – etwa der Wehrwirtschaft, der „Entjudung“ und der Landwirtschaft – wirksam politisch und rechtlich eingegriffen wurde. Inwieweit sich aber die wirtschaftpolitischen Interventionen erfolgreich in Form einer stringenten rechtlichen Steuerung vollzogen, bleibt strittig. Während Hartmut Berghoff, Horst Dreier, Michael Ebi, Gerald D. Feldman, Harald Freise, Rüdiger Hachtmann, Ludolf Herbst, Rainer Schröder, Wolfgang Seibel und Ilse Staff diese Annahme eher verneinen, heben Johannes Bähr, Kees Gispen, Caroline Harth, Bernd Rüthers und Jürgen Weitzel eher den (begrenzten) Erfolg der Umsetzung wirtschaftsrechtlicher Zielvorstellungen hervor. Aus diesem Rahmen heraus fallen die Aufsätze von Kiran Klaus Patel, der im Sinne Fraenkels die rechtlich-politische Zwitterstellung des Arbeitsdienstes unterstreicht, von David Fraser – er will zeigen, dass sich die normative Bewertung des Nationalsozialismus als krimineller Staat in den USA erst mit dem eigenen Kriegseintritt vollzieht – und von Olivier Dard, der das langfristige Interesse französischer Technokraten am deutschen Wirtschaftsrecht thematisiert.
Aus dem Inhalt:
Dieter Gosewinkel:
Wirtschaftskontrolle und Recht in der nationalsozialistischen Diktatur. Forschung und Forschungsperspektiven (IX-LIX)
A. Steuerung und Rechtszerfall als Problem einer Rechts- und Wirtschaftsgeschichte des Nationalsozialismus
Ludolf Herbst:
Steuerung der Wirtschaft im Nationalsozialismus? Systemtheoretische Aspekte (3-13)
Wolfgang Seibel:
Steuerung durch Recht im Nationalsozialismus? Juristische Methodenlehre und ökonomische Dogmengeschichte zwischen Kontinuität, Effektivität und Verbrechen (15-38)
Horst Dreier:
Rechtszerfall und Kontinuität. Zur asynchronen Entwicklung von Staatsrecht und Wirtschaftssystem in der Zeit des Nationalsozialismus (39-74)
Bernd Rüthers:
Steuerung der Wirtschaft durch Auslegung. Zur Themenstellung: Rechtsanwendung und Rechtsetzung als Steuerungsmittel der Diktatur (75-90)
Rainer Schröder:
Steuerung der Wirtschaft durch Rechtsauslegung (91-106)
Caroline Harth:
Der „richtige Vertrag“ im Nationalsozialismus. „Wettbewerb als Instrument staatlicher Wirtschaftslenkung“ (107-132)
B. Intentionen und Wirkungen rechtlicher Regelung in Kernbereichen nationalsozialistischer Wirtschaftspolitik
Rüdiger Hachtmann:
Die rechtliche Regelung der Arbeitsbeziehungen im Dritten Reich (135-155)
Jürgen Weitzel:
Nationalsozialistische Agrarideologie und Landwirtschaftsrecht (157-180)
Michael Ebi:
Devisenrecht und Außenhandel (181-198)
Johannes Bähr:
Modernes Bankrecht und dirigistische Kapitallenkung. Die Ebenen der Steuerung im Finanzsektor des „Dritten Reichs“ (199-223)
Gerald D. Feldman:
Insurance Industry Regulation and the Protection of Property and Sanctity of Contract in the Insurance Business (225-241)
Harald Freise:
Wettbewerbs- und Kartellrecht im Nationalsozialismus. Die Sperrpräventivzensur des Kartellgerichts (243-265)
Kees Gispen:
Patentrecht und Schutz des geistigen Eigentums (267-279)
Hartmut Berghoff:
Methoden der Verbrauchslenkung im Nationalsozialismus. Konsumpolitische Normensetzung zwischen totalitärem Anspruch und widerspenstiger Praxis (281-316)
C. Blick über Systemgrenzen: Recht und Wirtschaft des Nationalsozialismus in vergleichender und transnationaler Perspektive
Kiran Klaus Patel:
Simile Monstro? Recht und Macht im NS-Arbeitsdienst in deutsch-amerikanischer Perspektive (319-340)
David Fraser:
„The outsider does not see al the game ...“: Perceptions of German Law in Anglo-American Legal Scholarship, 1933-1940 (341-367)
Olivier Dard:
Juristes et économistes français face à l'organisation juridique de l'économie et de la société du troisième Reich (369-381)
Ilse Staff:
Das rechtliche Steuerungspotential im NS-Staat im Blickwinkel des italienischen Faschismus (383-420)
Frank Schale (FS)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.312
Empfohlene Zitierweise: Frank Schale, Rezension zu: Dieter Gosewinkel (Hrsg.): Wirtschaftskontrolle und Recht in der nationalsozialistischen Diktatur Frankfurt a. M.: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/8943-wirtschaftskontrolle-und-recht-in-der-nationalsozialistischen-diktatur_27300, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 27300
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Dr., wiss. Mitarbeiter, Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, Technische Universität Chemnitz.
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