Es ist ein spannendes Unterfangen, einen amtierenden Regierungschef zu porträtieren, gerade im Fall von Wolfgang Schüssel. Der ÖVP-Politiker hatte sich 2000 für die FPÖ als Koalitionspartner entschieden und war begleitet von öffentlichen Protesten und der offensichtlichen Missbilligung durch den Bundespräsidenten Kanzler geworden. Obwohl sich die FPÖ als unzuverlässiger Partner erwies, der zwischen konstruktiver Mitarbeit und populistischer Opposition hin und her schwankte und damit die Koalition zerbrechen ließ, erneuerte Schüssel nach den Neuwahlen das Bündnis. Der österreichische Journalist Pelinka erklärt diese politische Verbindung aber nicht mit einem blinden Machtstreben Schüssels. Nach ausgiebigen Sondierungsgesprächen mit allen Parteien habe er mit der FPÖ die größten Chancen gesehen, seine politischen Ziele durchzusetzen. Denn Schüssel sei ein „Gestaltungspolitiker" (8) und verfolge die feste Absicht, Österreich und vor allem das Sozialsystem des Landes zu reformieren. Sein zentrales ideologisches Prinzip sei „Mehr privat, weniger Staat" (25) und seine Politik am ehesten als „Thatcherismus light" (47) zu charakterisieren. Am Beginn der ersten Koalition sei er zudem davon überzeugt gewesen, Haider „entzaubern" (95) zu können. Insgesamt bietet Pelinka eine genaue und aufschlussreiche Charakterisierung Schüssels und dessen Selbstverständnis als Politiker, ohne allerdings im Detail allzu sehr auf einzelne Politikfelder einzugehen. Leider erschwert die „umgekehrte" (8) Biografie, die 2003 beginnt und dann in die Jahre 2002, 2000/2001 und 1995-2000 zurückgeht, jedem die Lektüre, der kein intimer Kenner der österreichischen Innenpolitik ist. Die politische Entwicklung wird durch diese Darstellung bedauerlicherweise zerrissen.