Fritz Stern ist einer jener verbliebenen großen alten Gelehrten, die historische und politische Analyse miteinander zu verbinden wissen. Diese Vorgehensweise nimmt Vereinfachungen bewusst in Kauf, um bedenkenswerte Ansichten zu vermitteln. Auch in diesem Band mit zwölf Essays bleibt Stern seinem Vorgehen treu. Eine thematische Klammer für die Beiträge gibt es nicht. Sie reichen von biografischen Betrachtungen zum Beispiel zu Fritz Haber und Ralf Dahrendorf über Reflexionen zum 20. Juli 1944 bis hin zu Überlegungen zur deutschen und europäischen Einigung. So verschieden wie die Themen sind auch die Entstehungszusammenhänge der jeweiligen Essays, die teils auf Reden oder Nachrufe, teils auf Veröffentlichungen vor allem in diversen Zeitschriften zurückgehen. Nur vier der zwölf Texte – jene zur gegenwärtigen Lage der USA (verfasst 2011), zur deutschen Wiedervereinigung (verfasst 1990), zum historischen Kniefall Willy Brandts in Warschau (verfasst 2010) und ein Abriss zur deutschen Zeitgeschichte (verfasst 2008) – sind Erstveröffentlichungen. Für Kenner des Stern‘schen Werkes resultieren daraus Doppelungen, und auch viele der Kernaussagen sind unter anderem aus seinen Monografien bereits bekannt. Dennoch bietet der Band gewissermaßen eine Führung durch Sterns Denken und Schaffen zwischen 1989 und 2015. Dies ist zweifellos an und für sich wertvoll. Politikwissenschaftler_innen ermöglichen die Essays aber vor allem einen Parforceritt durch die Themen, die im intellektuell‑politischen Diskurs der Bundesrepublik seit den Jahren der Wiedervereinigung prominent waren und sind.