/ 04.06.2013
Johann Baptist Metz
Zum Begriff der neuen Politischen Theologie 1967-1997
Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag 1997; 211 S.; kart., 36,- DM; ISBN 3-7867-2029-0Seit über dreißig Jahren arbeitet der katholische Theologe Metz an der Formulierung seiner politischen Theologie. Die vorliegende Sammlung vereint die wichtigsten Texte des Autors zu dieser Thematik. Sie wurden überwiegend bereits andernorts veröffentlicht, teilweise jedoch für die Neupublikation überarbeitet. Anders als die politische Theologie Carl Schmitts versteht sich diejenige Metz' primär als Theologie, nicht als sozialwissenschaftlich informierte Rechtswissenschaft, und anders als jene von Schmitt mag man die Konzeption des Theologen als eine politische Theologie "von links" bezeichnen: Metz versteht sein Projekt als gesellschafts- und kirchenkritische Theologie, die in deutlichem Bezug zu den sozialwissenschaftlichen und philosophischen Debatten ihrer Zeit steht. Für den politikwissenschaftlichen Leser sind die Studien des Theologen in mehrfacher Hinsicht von Interesse: Zum einen liefern sie einen Beitrag zur Problematik des Verhältnisses von Christentum und Politik im allgemeinen, zur Frage nach der gesellschaftlichen bzw. politischen Aufgabe der Kirche in der liberalen Demokratie im besonderen. Zum anderen aber reflektieren gerade die jüngeren Texte die Herausforderungen des westlichen Verfassungsstaates im Hinblick auf dessen ihm unverfügbare Voraussetzungen angesichts eines von manchen in Aussicht genommenen Kampfes der Kulturen einerseits, einer zunehmenden Pluralisierung der Lebensweisen in den westlichen Gesellschaften andererseits. Auf die Frage, was vor diesem Problemhorizont die Freiheit vor dem Erstarren zu bewahren und damit das Überleben der liberalen Demokratie zu fördern vermag, verweist Metz auf die christliche Botschaft als der Erinnerung der Universalität menschlicher Leidenserfahrung, namentlich der Leidenserfahrung des Anderen, des Fremden und sogar des Feindes: "Solches Eingedenken fremden Leids gehört zu den kulturellen Reserven freiheitlicher Demokratie" (187). Dies bedeutet indes nicht, daß Metz das Christentum auf eine bloße Ethik der Verantwortung reduziert: Ihre kulturelle Kraft der Leidenserinnerung vermag die christliche Botschaft vielmehr nur im Kontext des Gottesgedächtnisses zu entfalten. Daß mit einem solchen Befund die Probleme erst beginnen, liegt auf der Hand. So wäre etwa nach dem Verhältnis von Leidenserinnerung und Politik oder danach zu fragen, was aus dem Erinnern politisch/politikwissenschaftlich zu folgern wäre. Daß solche Fragen Metz zu leicht aus dem Blick geraten, ist indes kein Vorwurf: Vielmehr liegt gerade hier die Herausforderung seiner gelehrten Überlegungen an die Adresse der Politikwissenschaft.
Inhalt: 1. Das Problem einer "Politischen Theologie" (1967); Exkurs: Über Institution und Institutionalisierung (1967); Appendix: Lexikonartikel "Politische Theologie" (1969); 2. "Politische Theologie" in der Diskussion (1969); 3. Was will die "Politische Theologie"? (1970); 4. "Politische Theologie" als fundamentale Theologie der Welt (1972/1974); Exkurs: Zum Ökumene-Begriff der "Politischen Theologie" (1969); 5. Religion und Politik in einer Zeit des Umbruchs (1981); 6. Von einer transzendentalen zu einer politischen Mystik des Christentums (1982); 7. Unterwegs zu einer nachidealistischen Theologie (1985); Exkurs: Erste Differenzierungen zu einer sozial geteilten und kulturell polyzentrischen Welt-Kirche (1986); 8. Politische Theologie: Theologie im Abschied von ihrer gesellschaftlichen, ethnisch-kulturellen und geschichtlichen Unschuld (1990-1997); 8.1 Für eine hermeneutische Kultur (1991); 8.2 Den Antlitzen standhalten (1990); 8.3 "... die Logik der Beherrschung oder Angleichung im multikulturellen Experiment des Christentums auszuschließen" (1992); 8.4 In der Krise des europäischen Geistes (1992); 8.5 Zwischen Erinnern und Vergessen: Die Shoah im Zeitalter der kulturellen Amnesie (1997); 8.6 Die letzten Universalisten (1994/1996); Exkurs: Verzeitlichung von Ontologie und Metaphysik (1996); Appendix: Lexikonartikel "Politische Theologie" (1992); 9. "Glaube in Geschichte und Gesellschaft", heute (1992); 10. Religion und Politik an den Grenzen der Moderne. Versuch einer Neubestimmung (1995-1997); Exkurs: Zum "katholischen Prinzip" der Repräsentation; 11. Im Pluralismus der Religions- und Kulturwelten. Anmerkungen zu einem theologisch-politischen Weltprogramm (1997); 12. Ein biographischer Durchblick: "Wie ich mich geändert habe" (1996).
Michael Henkel (MH)
Priv.-Doz. DR., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.42 | 2.23
Empfohlene Zitierweise: Michael Henkel, Rezension zu: Johann Baptist Metz: Zum Begriff der neuen Politischen Theologie 1967-1997 Mainz: 1997, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/3939-zum-begriff-der-neuen-politischen-theologie-1967-1997_5602, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 5602
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Priv.-Doz. DR., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
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