/ 09.06.2016
Johannes Schillo (Hrsg.)
Zurück zum Original. Zur Aktualität der Marxschen Theorie
Hamburg: VSA 2015; 236 S.; 16,80 €; ISBN 978-3-89965-675-6Kernpunkt des Buches ist die Kritik an der sogenannten Neuen Marx‑Lektüre. In der Tat kommt die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Marx zuweilen etwas schizophren daher: Marxist zu sein oder auch nur mit Marx zu argumentieren ist in der bundesdeutschen – öffentlich‑politischen wie auch wissenschaftlichen – Debatte verpönt, wozu gleichermaßen die politische Vereinnahmung durch den „real existierenden Sozialismus“ als auch der herrschende neoliberale Diskurs beigetragen haben. Aus diesem Grunde geht die wissenschaftliche Beschäftigung mit Marx oft mit dem Zusatz einher, seine Theorie bedürfe wahlweise einer selektiven Anwendung oder einer zeitgemäßen Ergänzung. Zugleich schießen die Marx‑Einführungen und ‑Interpretationen wie Pilze aus dem Boden, um dem breiten Publikum zu zeigen, dass man von ihm doch so einiges lernen könne, wenn man sich nur in ausreichendem Maße von den orthodoxen Interpretationen löse. Insofern ist dem Anliegen des Buches durchaus zuzustimmen, wenn die Autoren dafür plädieren, sich den Marx‘schen Schriften wieder im Original und unvoreingenommen zu nähern. Inhaltlich liefert der Band zum einen ein paar gute und verständliche Zusammenfassungen von zentralen Begrifflichkeiten der Theorie, zum anderen eine Reihe mal mehr, mal weniger konstruktiver Kritikpunkte an aktuellen Marx‑Interpretationen – unter anderem beschäftigt sich ein Beitrag ausführlich mit Thomas Pikettys „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ (siehe Buch‑Nr. 46471), einem der bedeutendsten kapitalismuskritischen Werke der vergangenen Jahre. Die Art und Weise allerdings, wie hier unterschiedslos auf alles eingeprügelt wird, was nicht den Marx‘schen O‑Ton ohne weitere Diskussion übernimmt, wirkt zum einen befremdlich (zuweilen hat man den Eindruck, als hätten die Autoren des Bandes noch eine persönliche Rechnung mit diversen marxistischen Theoretikern offen) und zum anderen wissenschaftlich nicht immer seriös (etwa wenn versucht wird, neomarxistischen Ansätzen einen Strick zu drehen, indem man Aussagen von Herfried Münkler zitiert, der nun wahrlich nicht als Hauptvertreter einer Neuen Marx‑Lektüre angesehen werden kann). Zudem wird der Neuen Marx‑Lektüre eine Einheit unterstellt, die in der Realität nicht vorhanden ist – die meisten Definitionen würden etwa auch dieses Buch zur Neuen Marx‑Lektüre zählen. Festzuhalten bleibt somit: Wendet man bei der Lektüre hier die kritische Distanz an, die die Autoren mit ihrem Buch doch eigentlich aus der Welt schaffen wollen, lohnt diese sich mit Blick auf gegenwärtige kapitalismuskritische Debatten durchaus – ein Fazit, das an Ironie kaum zu überbieten ist!
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Rubrizierung: 2.22 | 2.25 | 5.33 | 5.42 | 5.45 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Johannes Schillo (Hrsg.): Zurück zum Original. Hamburg: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/39741-zurueck-zum-original_47679, veröffentlicht am 09.06.2016. Buch-Nr.: 47679 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA