/ 04.06.2013
Moshe Zuckermann
Zweierlei Holocaust. Der Holocaust in den politischen Kulturen Israels und Deutschlands
Göttingen: Wallstein Verlag 1998; 181 S.; brosch., 38,- DM; ISBN 3-89244-298-3In ideologiekritischer Absicht diskutiert Zuckermann die Rezeption des Holocaust im "Land der Täter" und im "Land der Opfer". "Zweierlei Holocaust" meint dabei nicht nur die unterschiedlichen Rezeptionsweisen der Shoah in den politischen Kulturen beider Länder, sondern darüber hinaus deren jeweils anders geartete Instrumentalisierung für politische Zwecke. Der Umgang mit der Vernichtung der Juden im Dritten Reich - das ist die Hauptthese Zuckermanns - folgte sowohl in Deutschland als auch in Israel ideologischen Mustern, die das historische Geschehen in den Hintergrund rückten und die Opfer unter dem Vorwand des Gedenkens für staatliche bzw. gesellschaftliche Ziele vereinnahmten. Dabei dominierte im jungen Staat Israel die "Zionisierung" des Holocaust: Während dieser in seiner historischen Konkretheit weitgehend aus dem kollektiven Gedächtnis getilgt werden sollte, wurde er als Code gepflegt und zur Legitimierung zionistischer Politik genutzt. Die aus der Shoah gezogene Lehre war eine partikularistische: Nie wieder sollte das jüdische Volk der Gefahr der Vernichtung ausgesetzt sein, und dementsprechend galt es, den Staat Israel gegen die neuen Hitler, die Araber, zu verteidigen. Mit der politischen Instrumentalisierung der Holocaust-Opfer setzt das ein, was Zuckermann (unnötig) provokativ als "Fetischisierung des Holocaust" (26) bezeichnet. Der partikularistischen Interpretation in Israel steht in der Bundesrepublik eine gleichfalls von politischen Intentionen geleitete Universalisierung gegenüber, die im Historikerstreit der achtziger Jahre ihren Höhepunkt findet. Dabei wird die Einzigartigkeit des Holocaust durch einen Vergleich mit anderen Massenmorden relativiert und solchermaßen eine Entschuldung der Deutschen betrieben. Zuckermann begreift die Erinnerungsideologien in Deutschland und Israel als komplementäre Prozesse und stellt ihnen ein Konzept des Erinnerns entgegen, das "das spezifisch jüdische Schicksal in eine allgemeine moralische Forderung [faßt], daß Auschwitz sich nicht wiederhole" (176). In seiner Mischung aus scharfsinniger Analyse und aufklärerischem Impetus ist der Band eine faszinierende Lektüre, auch wenn Zuckermanns eigener Vorschlag einer adäquaten Erinnerung an die Opfer der Shoah unter dem Vorbehalt steht, daß - wie er selbst ausführt - ein authentisches Andenken nur im Privaten erreicht werden kann.
Michael Edinger (ME)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Sonderforschungsbereich 580, Universität Jena (www.uni-jena/svw/powi/sys/edinger.html).
Rubrizierung: 2.35 | 2.312 | 2.63
Empfohlene Zitierweise: Michael Edinger, Rezension zu: Moshe Zuckermann: Zweierlei Holocaust. Göttingen: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/5749-zweierlei-holocaust_7478, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 7478
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M. A., wiss. Mitarbeiter, Sonderforschungsbereich 580, Universität Jena (www.uni-jena/svw/powi/sys/edinger.html).
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