/ 17.12.2015
Werner Mäder
Zweiheit statt Einheit. Versorgungsüberleitung Ost
Berlin: Duncker & Humblot 2015 (Beiträge zur Politischen Wissenschaft 183); 242 S.; 74,90 €; ISBN 978-3-428-14534-8Seine Geringschätzung für Staat und Verfassung des wiedervereinigten Deutschlands hat Werner Mäder zuvor bereits sehr deutlich zum Ausdruck gebracht (siehe Buch‑Nr. 41758). In diesem Buch spitzt er seine Kritik an einem Fallbeispiel zu. Es geht um die Zusatzrenten, zu denen in der DDR ergänzend zum allgemeinen Rentensystem Ansprüche erworben werden konnten, die aber nach 1990 keine oder nur teilweise Berücksichtigung bei der Neuberechnung gefunden haben. Für Mäder ist dieses Beispiel hinreichender Beleg für die Unfähigkeit westdeutscher Politiker (der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl und einige seiner Mitstreiter sind seiner Ansicht nach mit Blick auf die Wirtschaftspolitik geradezu ungebildet gewesen), er schreibt von einer Diskriminierung der Ost‑Rentner und „Rentenstrafrecht“ (132), es habe eine „gewaltige Enteignungsaktion“ (138) stattgefunden etc. Mäder vermeidet dabei allerdings möglichst lange, genau auf den Punkt zu bringen, um wessen Zusatzrenten es überhaupt geht. „Das trifft auch für die Tänzer/Ballettmitglieder zu“ (112), heißt es da erst. Im weiteren Verlauf ist dann auch dem Buch zu entnehmen, um wessen Sonderversorgung es hauptsächlich geht: die der DDR‑Eliten, also der Stützen des Systems – MfS‑Mitarbeiter, Parteifunktionäre, Staatsanwälte und weitere. Mäder hält es für skandalös, dass diesem Personenkreis jene gesonderten Rentenansprüche, die sie in der Diktatur erworben haben – vor 1989 bedeuteten diese eine Besserstellung gegenüber Bürgern ohne besondere Funktionen (und gegenüber den Oppositionellen) – nicht voll angerechnet werden. Im Klartext: Die Bürger des wiedervereinigten Deutschlands sollten seiner Ansicht nach Boni für die Diktatur zahlen. Wie absurd diese Forderung ist, bleibt ausgeblendet, da Mäder sich nicht mit der Frage beschäftigt, worin die Bedeutung der Friedlichen Revolution liegt. Ebenso wenig wird die Behauptung, dass „[k]einesfalls […] davon gesprochen werden [kann], dass die ‚Ost‑Rentner‘ Gewinner der deutschen Einheit wären“ (90), mit Zahlen unterfüttert – so bleibt die Wirklichkeit mit im Ost‑West‑Vergleich vorzeigbaren Renten und einem besseren Lebensstandard als zuvor außen vor. Nun könnte eingewendet werden, dass nicht alle Regelungen der Rentenüberleitung im weiteren politischen Prozess und vor Gericht Bestand hatten. Aber den gesamten juristischen Findungsprozess einer pluralistischen demokratischen Gesellschaft, die ihren Weg für den Umgang mit der untergegangenen Diktatur erst finden musste, bewertet Mäder rigoros negativ. Seine Darstellung „rundet“ er entsprechend mit abwertenden Äußerungen über das Staatsrecht nach Kelsen und den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle ab.
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Rubrizierung: 2.315 | 2.32 | 2.323 | 2.314 | 2.343 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Werner Mäder: Zweiheit statt Einheit. Berlin: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/39203-zweiheit-statt-einheit_47568, veröffentlicht am 17.12.2015. Buch-Nr.: 47568 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA