/ 27.02.2014
Peter Niesen (Hrsg.)
Zwischen Demokratie und globaler Verantwortung. Iris Marion Youngs Theorie politischer Normativität
Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2013 (Schriftenreihe der Sektion Politische Theorien und Ideengeschichte in der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft 26); 206 S.; 36,- €; ISBN 978-3-8329-7807-5Zwar liegt von den Schriften Iris Marion Youngs, der 2006 verstorbenen amerikanischen Philosophin, noch keine auf Deutsch vor, gleichwohl hat ihr Denken die Debatte über politische Gerechtigkeit auch hierzulande stark beeinflusst. Diese „unabgegoltene Kreativität von Youngs Ansatz“ (9) sehen die Herausgeber vor allem in drei theoretischen Perspektiven, die für Young eine zentrale Rolle gespielt haben. Das betrifft zum einen ihren – Überlegungen von Rawls aufgreifenden – Vorschlag, globale Gerechtigkeitsforderungen an einem Konzept zukunftsbezogener Handlungsverantwortung auszurichten, das stärker strukturelle Zusammenhänge akzentuiert als individuelle Pflichten. Zum anderen hat Young im Anschluss an die feministische Theoriebildung stets darauf bestanden, Gerechtigkeitsfragen nicht losgelöst von Phänomenen der Unterdrückung und Unterwerfung zu interpretieren. Und drittens schließlich war ihr der Nachweis wichtig, dass die westliche politische Philosophie die mit der Kolonisierung verbundenen Unrechtserfahrungen systematisch ausblendet. Die Beiträge diskutieren Youngs Theorie politischer Normativität unter zwei Bezugspunkten. Im Mittelpunkt der ersten Blocks (Martinsen/Flügel Martinsen; Forst; Kreide; Hahn; Owen) stehen Aspekte der Gerechtigkeitstheorie – hier wesentlich bezogen auf ihre Kritik des in modernen Gerechtigkeitskonzeptionen verbreiteten Verteilungsparadigmas. Dessen Konzentration auf das Problem ungleicher Verfügung über Ressourcen – so ihr Einwand – vernachlässige strukturell bedingte Mechanismen der Unterdrückung (wie Ausbeutung, Marginalisierung, Machtlosigkeit, Kulturimperialismus, Gewalt). Der zweite Block (Kerner; Seubert; Conradi; Jörke; Ritzi/Schaal; Thaa) befasst sich mit den demokratietheoretischen Implikationen der Arbeiten Youngs, die sich im Spannungsfeld von Differenzsensibilität und demokratischer Inklusion bewegen. Diskutiert werden dabei Fragen ihres Repräsentationsmodells, das Vorschläge zur Erweiterung deliberativer Demokratietheorie enthält und in besonderer Weise Perspektiven von Gruppen zur Geltung bringen möchte.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.42 | 5.41 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Peter Niesen (Hrsg.): Zwischen Demokratie und globaler Verantwortung. Baden-Baden: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36786-zwischen-demokratie-und-globaler-verantwortung_44448, veröffentlicht am 27.02.2014. Buch-Nr.: 44448 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenDr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
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