Die Vorschläge, die Bundesverfassungsrichter a. D. Kirchhof entwickelt, sind eigentlich eine Rückbesinnung. Er benennt Kernaufgaben des Staates, die auch oder gerade wegen u. a. der Machtverschiebung vom Bund auf die Europäische Union, der Probleme des Sozialstaates und angesichts einer globalen Bedrohung durch den Fundamentalismus zu bewältigen sind. Kirchhof sieht den Staat „in seinem Friedensauftrag auf die elementare Aufgabe zurückgeworfen, bei den Menschen den Sinn für das Recht zu wecken, auch bei den in Gruppenzugehörigkeit denkenden und handelnden Tätern individuelle Verantwortlichkeit zu begründen” (11) und diese Rechts- und Friedenskultur weltweit entwickeln zu helfen. Ein entscheidendes Merkmal des Staates sei seine weltanschauliche Neutralität. Kirchhof bleibt bei der Definition dessen, was darunter zu verstehen ist, eng dem historisch gewachsenen, spezifisch deutschen Verhältnis von Staat und Kirche verhaftet. Dementsprechend misst er der Religion die zentrale Rolle bei der Begründung gemeinsamer Werte zu und hebt die Bedeutung der Kirche als Institution hervor. Der Frage, ob Kirche und Religion in der modernen Gesellschaft diese gewichtige Rolle noch zukommt, wird leider nicht nachgegangen. In seiner Schlussfolgerung unterscheidet sich Kirchhof allerdings nicht vom laizistischen Gedanken – eine Lehrerin habe im öffentlichen Schuldienst kein Kopftuch zu tragen, weil dieses sich nicht auf einer freiheitlichen Verfassung gründe und damit die Freiheitsrechte der Schüler bedrohe. In weiteren Kapiteln analysiert Kirchhof Aspekte der gerechten Besteuerung und des Handlungsbedarfes des Sozialstaates sowie der nationalen Rechtskultur in Europa. Das Ergebnis ist ein nüchterner Blick auf die Europäische Union, der alle Merkmale eines Staates fehlten. Die Grundprinzipien des deutschen Staates dürften deshalb nicht von europäischen Übereinkünften eingeschränkt werden.