/ 03.06.2013
Martin Rupps
Helmut Schmidt. Politikverständnis und geistige Grundlagen
Bonn: Bouvier Verlag 1997; 437 S.; geb., 45,- DM; ISBN 3-416-02698-5Politikwiss. Diss.; Erstgutachter: L. Kühnhardt. - Rupps nimmt sich in der Überarbeitung seiner Dissertation eines überaus spannenden Themas an, wenn er sich auf die Suche nach den persönlichen Grundüberzeugungen begibt, die das Denken und Handeln eines Politikers bestimmen. Gerade Helmut Schmidt, der sich zur Darstellung und Rechtfertigung konkreter politischer Handlungen öfter philosophischer Überlegungen bedient hatte (am deutlichsten durch Bezugnahme auf Karl R. Popper), ist hier sicherlich ein interessantes Beispiel. Und so versucht Rupps denn auch eine Art "geistiger Biographie" von Schmidt zu zeichnen. Neben biographischen und familiären Prägungen werden Aurel, Kant, Weber und Popper als Referenzpunkte der Grundüberzeugungen Schmidts dargestellt. In einem zweiten Teil versucht Rupps dann die herausgearbeiteten Leitlinien anhand einiger Beispiele (Grundwerte-Debatte, NATO-Doppelbeschluß, Auseinandersetzungen innerhalb der SPD etc.) in ihren praktischen Auswirkungen zu belegen. Dabei ist er sich zwar grundsätzlich der Gefahr einer Über-Interpretation im Sinne seines Erkenntnisinteresses bewußt, kann sie jedoch nicht durchgängig vermeiden. Auffällig häufig bezieht sich Rupps so auf gleichlautende Zitate aus seinem Interview mit Schmidt, das in Auszügen auch im Anhang dokumentiert wird. Als besondere Schwierigkeit erweist sich dabei die Gleichzeitigkeit von starker Inanspruchnahme philosophischer Legitimation bei ebenso bewußtem Abstreiten systematischer Rezeption durch Schmidt.
Der von Rupps zwar thematisierte Einfluß der "Selbststilisierung" (29), den Schmidt unter dem Begriff "Koketterie" (333) in einem Fall bestätigt, gerät damit zur ständigen Störvariable der Untersuchung. So sind die von Schmidt als "Hausapotheker" (333) bezeichneten Philosophen auch nur in ihren bekanntesten Grundaussagen nachweisbar und werden hier und da durch Schmidts persönliche Deutung sehr eigen ausgelegt. Rupps trägt diesem Umstand dadurch Rechnung, daß er sich konsequent auf das beschränkt, was Schmidt für die Aussagen von Aurel, Weber, Kant oder Popper hält - und nicht von einer wissenschaftlichen Deutung ihrer Hauptwerke ausgeht. Gleichwohl wird die Unterscheidung zu allgemeinen Lebensweisheiten, die auch ohne diese geistigen Stammväter auskommen könnten, dabei oftmals problematisch. Doch allein die Kohärenz der (versuchten) Inanspruchnahme ist schon aussagekräftig. Durch allzu häufige rhetorische Fragen und den Zwang zur Überschriftenbildung (selbst die Literatur ist aufgeteilt in: "1. Erkundungsgang: Was es schon über Helmut Schmidt zu lesen gibt" und "2. Woraus der Autor geschöpft hat: Ein Verzeichnis der verwendeten Literatur") erhält das Buch einen stark journalistischen bzw. essayistischen Ton. Trotz (und teilweise auch wegen) der Widersprüchlichkeit und Vagheit der Ergebnisse gelingt es Rupps dennoch die grundsätzliche Bedeutung seines Untersuchungsgegenstandes (Politikverständnis und geistige Grundlagen) zu einem näheren Verständnis der Person und Politik Helmut Schmidts zu belegen.
Manuel Fröhlich (MF)
Prof. Dr., Juniorprofessur für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.manuel-froehlich.de).
Rubrizierung: 2.3 | 2.331
Empfohlene Zitierweise: Manuel Fröhlich, Rezension zu: Martin Rupps: Helmut Schmidt. Bonn: 1997, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/3252-helmut-schmidt_4257, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 4257
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Prof. Dr., Juniorprofessur für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.manuel-froehlich.de).
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