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/ 11.06.2013
Joachim Rogosch

Wie christlich ist die CDU? Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Leipzig: benno Verlag 1999; 156 S.; brosch., 24,89 DM; ISBN 3-7462-1335-5
Die Frage nach dem "C" und seiner Bedeutung für die beiden Unionsparteien ist ein fester Bestandteil ihrer Geschichte und des politischen Diskurses in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt. Rogosch, Diplomtheologe und Journalist, hat für sein vor der aktuellen Krise und Erneuerung der CDU erschienenes Buch ausführliche Interviews mit jüngeren Politikern der Union geführt und diese zu gut lesbaren, journalistisch geschriebenen Artikeln verdichtet. Es geht ihm darum, in der "Partei das C [...] aufzuspüren. Ist es noch da? Wenn ja wo?" Zu Wort kommen Arnold Vaatz, Christian Wulff, Annette Schavan, Hildegard Müller, Wolfgang Schäuble und von der CSU Thomas Goppel. Neben diese Innenansichten stellt Rogosch die Außenperspektive: Robert Antretter (SPD), Christa Nickels (B90/G) und Georg Kardinal Sterzinsky. Im bilanzierenden Kapitel kommt - anscheinend eher durch Zufall - auch Angela Merkel zu Wort (141). In den Äußerungen der Unionspolitiker wird deutlich, daß sie sich in unterschiedlicher Weise in ihrem persönlichen Leben wie politischen Urteilen auf christliche Traditionen und Überzeugungen berufen bzw. stützen, ohne diese Haltungen unverkürzt von jedem anderen Mitglied oder der Partei als ganzer einzufordern. Christliche Politik erscheint daher weder als Politik nach Maßgabe kirchlicher Wünsche oder nach der Interessenlage von Christen bzw. christlichen Gruppen, sondern als Ringen um sachgerechte Entscheidungen im Interesse des Gemeinwohls auf der Grundlage eines christlichen, Freiheit und Solidarität verpflichteten Menschenbildes. Ein Blick in die deutsche Geschichte lehrt, daß letzteres keineswegs selbstverständlich ist, und es daher Politiker bedarf, die sich bewußt dafür einsetzen. Rogosch selbst formuliert im Anschluß an seine Interviews einige interessante Einsichten in die Zukunftsfähigkeit des christlichen Impulses in der CDU: "Die CDU, die für alle da sein will - und damit für alle wählbar -, muß immer mehr Menschen ohne Kirchenbindung klarmachen, was sie davon haben, eine C-Partei zu wählen. Sie kann dies auf zwei Arten versuchen: Indem sie das C verleugnet [...]. Oder indem sie bewußt macht, daß christlich motivierte Politik keine Politik zum Nutzen der Christen ist" (139). Die Versuchung, dieser Grundsatzfrage durch eine punktuelle Berufung auf das historische Erbe zu festlichen Anlässen auszuweichen (145), beraubt die Debatte um das C ihrer produktiven Spannkraft. Insgesamt liefert das Buch jenseits des journalistischen Zugriffs wertvolle Einblicke in die geistigen Grundlagen einer CDU nach der Ära Kohl. Erwähnung verdient schließlich das ansprechende Layout des benno-Verlages.
Antonius Liedhegener (Li)
Dr., wiss. Ass., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.uni-jena.de/svw/powi/sys/liedhege.html).
Rubrizierung: 2.3312.35 Empfohlene Zitierweise: Antonius Liedhegener, Rezension zu: Joachim Rogosch: Wie christlich ist die CDU? Leipzig: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/10452-wie-christlich-ist-die-cdu_12358, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 12358 Rezension drucken
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