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Ursula Frost / Markus Rieger-Ladich (Hrsg.)
Demokratie setzt aus. Gegen die sanfte Liquidation einer politischen Lebensform
Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2012 (Sonderheft zur Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik); 203 S.; kart., 19,90 €; ISBN 978-3-506-77642-6Wie lässt sich angesichts einer zunehmenden Postdemokratisierung westlicher Demokratien, wie sie etwa von Sheldon Wolin, Jacques Rancière oder Colin Crouch beobachtet wird, das Verhältnis von Bildung und Demokratie weiterdenken, ja retten? Demokratie und Bildung, so Ursula Frost in ihrem einleitenden Beitrag, sind keineswegs konsekutive, sondern komplementäre Phänomene. Beide zusammen sind unabdingbar für die individuelle Selbstbestimmung unter kollektiven Bedingungen. Neben einigen grundsätzlichen Aufsätzen zur Rolle der politischen Bildung in der Demokratie und zum bisherigen Stand der Postdemokratiedebatte finden sich spannende Beiträge, die in die (Un‑)Tiefen des Politikfeldes Bildung abtauchen. So spürt etwa Clemens Knobloch der schleichenden Ökonomisierung der Bildungspolitik nach. In bourdieuscher Tradition, die Bildung und Bildungstitel als kulturelles Kapital begreift, zeigt Knobloch, auf welch massive Art und Weise in den vergangenen Jahren private Bildungseinrichtungen gegründet und ausgebaut worden sind. Dabei ist nicht nur die hochgradige Selektivität im Zugang zu diesen Einrichtungen problematisch, sondern auch deren öffentliche Förderung. Geld, das für private Bildungseinrichtungen ausgegeben wird, kann nicht noch einmal in öffentliche Schulen gesteckt werden, die, je nach Region, aufgrund schwieriger sozialer Umfeldbedingungen einen ungleich höheren Betreuungsaufwand für ihre Schüler_innen zu leisten hätten. Dieses Sonderheft der Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Pädagogik versteht sich als Einspruch, als politische Intervention aus dem Bereich der Bildungspolitik, die der neoliberalen Hegemonie Alternativen entgegenhalten will, die erst aus einer Streitkultur hervorgebracht werden können. Dementsprechend geht es zunächst weniger um vorgefertigte Antworten als vielmehr um die richtigen Fragen, die Foucaults Haltung entspringen, „nicht auf diese Weise und um diesen Preis regiert zu werden.“ (11). Als bildungspolitischer Beitrag ist der Band eine absolute Bereicherung für die politiktheoretische Debatte um die Zukunftsfähigkeit westlicher Demokratie, die im Kern und immer mehr auf die demokratische Selbstbehauptung gegenüber dem ubiquitären Markt hinausläuft.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.2 | 5.41 | 2.23 | 2.35 | 2.343 | 2.5
Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Ursula Frost / Markus Rieger-Ladich (Hrsg.): Demokratie setzt aus. Paderborn u. a.: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/35879-demokratie-setzt-aus_42822, veröffentlicht am 27.06.2013.
Buch-Nr.: 42822
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Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
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