/ 21.06.2013
Robert Bohn / Christoph Cornelißen / Karl Christian Lammers (Hrsg.)
Vergangenheitspolitik und Erinnerungskulturen im Schatten des Zweiten Weltkriegs. Deutschland und Skandinavien seit 1945
Essen: Klartext 2008; 271 S.; brosch., 32,- €; ISBN 978-3-89861-988-2Der Band vereint die Beiträge einer im Mai 2007 in Kiel abgehaltenen Tagung. Damit widmen sich die Herausgeber dem Teil deutscher Besatzungsgeschichte, der sowohl von der Historiografie als auch der offiziellen Vergangenheitspolitik lange Zeit vernachlässigt, gar verschwiegen wurde. So zumindest lautet der Befund auf deutscher Seite, wie Robert Bohn und Michael F. Scholz in ihren Aufsätzen zur Bundesrepublik und DDR aufzeigen. Im ersten Fall konstatiert der Autor eine „gewisse Nonchalance“ (25) im Umgang mit so strittigen Fragen wie der Entschädigung von KZ-Häftlingen, da Westdeutschland durch die rasche Eingliederung in die westlichen Bündnissysteme für Skandinavien, insbesondere aber für Norwegen, sicherheits- und handelspolitisch äußerst wichtig wurde. Anders in der DDR, die, wie Scholz darlegt, das erinnerungspolitische Erbe der Nazi-Besatzung allein an Westdeutschland abgab, um im Gegenzug den gemeinsamen Antifaschismus außenpolitisch in die Waagschale zu werfen. Auch auf skandinavischer Seite ist die Sicht auf die Kriegsjahre über zwei Jahrzehnte verstellt: entweder durch den Wunsch zu vergessen oder aber das nationale Selbstbild mit eindeutigen Heldenerzählungen aus dem Widerstand zu stärken. Eine Sonderrolle nimmt hier gewiss das neutrale Schweden ein, dessen gleichfalls späte Aufarbeitung Alexander Muschik konzis nachzeichnet. Neben der offiziellen Vergangenheitspolitik analysieren die Autoren auch die paradigmatischen Verschiebungen in der Historiografie sowie die museale und mediale Aufbereitung der deutschen Okkupation. Hervorhebenswert ist hier der Beitrag von Mogens R. Nissen, der mit der virtuellen Gedächtnispflege eine mögliche Facette zukünftiger Erinnerungsformen vorstellt. Das Buch löst seinen Anspruch ein, die auffallende Leerstelle in der deutschen Forschung zur skandinavisch-deutschen Vergangenheitspolitik zu schließen. Die Aufsätze geben dabei grundlegend Auskunft über die nationalen Narrative, die nach 1945 Verwendung fanden, weswegen der Band als einführende Lektüre in die Thematik sehr zu empfehlen ist.
Eva Voß (EV)
Dr., Politikwissenschaftlerin, Senior Referentin für Diversity Management bei der Bertelsmann AG.
Rubrizierung: 2.61 | 2.23 | 4.21 | 2.312 | 2.313 | 2.314
Empfohlene Zitierweise: Eva Voß, Rezension zu: Robert Bohn / Christoph Cornelißen / Karl Christian Lammers (Hrsg.): Vergangenheitspolitik und Erinnerungskulturen im Schatten des Zweiten Weltkriegs. Essen: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/29869-vergangenheitspolitik-und-erinnerungskulturen-im-schatten-des-zweiten-weltkriegs_35387, veröffentlicht am 03.02.2009.
Buch-Nr.: 35387
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Dr., Politikwissenschaftlerin, Senior Referentin für Diversity Management bei der Bertelsmann AG.
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