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/ 05.06.2013
Rüdiger Altmann

Abschied vom Staat. Politische Essays

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 1998; 273 S.; 48,- DM; ISBN 3-593-36026-8
Die Umschlagseite des Buches zeigt - seitlich versetzt zum Porträt des Autors und im kleineren Maßstab - die Profile Konrad Adenauers und Ludwig Erhards. Damit ist bildlich der zeitgeschichtliche Hintergrund angedeutet, vor dem die Essays von Altmann gelesen werden sollten - auch wenn nur zwei der Beiträge ihrer Entstehung nach in die Zeit der Kanzlerschaft Erhards fallen, dessen Berater Altmann übrigens war. Lediglich zwei jüngere Abhandlungen (1992, 1995) beziehen sich auf die Situation nach der deutschen Einigung; in der Mehrzahl sind die Texte zwischen den späten sechziger und den achtziger Jahren publiziert worden. Im Zentrum der Reflexionen Altmanns steht die Erfolgsgeschichte der (alten) Bundesrepublik, genauer: die Frage nach den politischen Konsequenzen des Ausbaus der sozialen Marktwirtschaft auf ökonomisch hohem Niveau. Pluralismus, Macht der Verbände und eine dominierende Konsumentenhaltung auf seiten der Bürger haben das Bild eines autoritätsarmen Staates entstehen lassen, "der sich durch Legalisierung des Pluralismus legitimieren mußte" (73) - so die Diagnose in dem immer noch prägnanten Essay "Späte Nachricht vom Staat" (71 ff.). Die darin anklingende Distanz gegenüber der für moderne Gesellschaften typischen Vielfalt wirtschaftlicher und kultureller Interessen und mehr noch die Kritik einer weitgehenden Funktionalisierung des Politischen ist vielfach als der Konservatismus Altmanns beschrieben worden. Doch jenseits derartiger Etikettierungen belegen diese Essays, daß die strukturellen Spannungen zwischen einer auf die Funktionsfähigkeit des ökonomischen Systems angewiesenen Politik einerseits und einer im Kern amoralischen Wirtschaftsgesellschaft andererseits (am Beispiel der Bundesrepublik) schon wesentlich früher wahrnehmbar waren als dies die neuesten Theorien einer individualisierten Risikogesellschaft vielfach suggerieren. Inhalt: I. Der neue Horizont (1992); Der Nomos der Marktgemeinschaft (1989); Die Gesellschaft als soziales Problem (1995); II. Der Kompromiß (1964); Die Formierte Gesellschaft (1965); Späte Nachricht vom Staat (1967); Der Feind und der Friede (1968); III. Der Verdacht, ein Staat zu sein (1969); Die Zukunft ohne Weltgeist (1975); Wirtschaftspolitik und Staatskunst. Wirkungen Ludwig Erhards (1977); Von der Legalität zur Funktionsordnung (1983, 1987); Das Recht auf Abhängigkeit (1985, 1987); Über Stabilität (1987); IV. Der Zeitverwalter (1969); Carl Schmitt oder das Ende der Repräsentation (1973); Vorüberlegungen zum Ernstfall (1979); Führung als moralisches Problem in der Wirtschaftsgesellschaft (1980); Öffentliche Meinung und Zeitbewußtsein in der medialen Kultur (1986); V. Abschied von den Kirchen (1970); Der Kult als äußerste Form der Humanität (1974); Unser Jenseits (1981); VI. Der deutsche Bund - Political fiction (1966).
Thomas Mirbach (Mir)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.32.23.15.41 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Rüdiger Altmann: Abschied vom Staat. Frankfurt a. M./New York: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/6559-abschied-vom-staat_8883, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 8883 Rezension drucken
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