/ 04.06.2013
Bascha Mika
Alice Schwarzer. Eine kritische Biographie
Reinbek: Rowohlt 1998; 335 S.; geb., 39,80 DM; ISBN 3-498-04390-0Gleich zwei Biographien über die Vorzeigefrau des deutschen Feminismus sind parallel erschienen, eine autorisierte vom Autorenteam Anna Dünnebier / Gerd von Paczensky und die unautorisierte, sich bereits im Titel als "kritisch" ankündigende Biographie der taz-Autorin Mika. Diese nähert sich Schwarzer kühl distanziert, aber keineswegs feindselig zum einen über deren zahlreiche Veröffentlichungen und durch Recherchereisen zu den jeweiligen Lebensstationen und Wirkungsstätten Schwarzers. Zum anderen führte sie eine Vielzahl von Interviews mit ehemaligen Mitstreiterinnen und Weggefährtinnen, die auffallend häufig im Streit mit ihr auseinandergegangen sind. Schwarzer selbst war hingegen nicht zu Interviews mit der Autorin bereit.
Mika schildert Schwarzers Kindheit und Jugend in Franken und Wuppertal, die - unehelich geboren - im wesentlichen von ihrem Großvater großgezogen wurde. Sie beschreibt deren Aufenthalt in Paris, der zu ihrer feministischen Politisierung führte und von wo aus sie die Idee der Abtreibungskampagne nach Deutschland importierte. Die 1971 im Stern veröffentlichten Bekenntnisse von Frauen - "Ich habe abgetrieben" - gaben der deutschen Frauenbewegung unstrittig einen maßgeblichen neuen Impuls. Mitte der siebziger Jahre kehrte Schwarzer endgültig wieder nach Deutschland zurück. Nach einem kurzen Intermezzo in Berlin, der damaligen Hochburg der Frauenbewegung, zieht sie - nunmehr das Aushängeschild des deutschen Feminismus - weiter nach Köln, wo sie als Initiatorin der Zeitschrift Emma künftig als deren alleinige Herausgeberin und Gesellschafterin firmiert. Unbestreitbar ist Emma ein sich gut verkaufendes Erfolgsprodukt, zugleich wird jedoch gerade in diesem Zusammenhang offensichtlich, wie sehr Schwarzer polarisiert, wie sie entweder geliebt oder aber gehaßt wird. In der Frauenszene wird zunehmend ihre Profilierungssucht und ihr autoritärer Führungsstil kritisiert - so haben von der Urredaktion bereits ein Jahr nach dem ersten Erscheinen alle Mitglieder Emma den Rücken gekehrt und sich viele der Autorinnen mit Schwarzer überworfen. Ein Muster, das sich zukünftig bei allen von Schwarzer initiierten Projekten - siehe beispielsweise die Auseinandersetzungen um den FrauenMediaTurm in Köln - wiederholen soll. Mittlerweile in der Frauenbewegung nur noch eine Sonderstellung am Rande einnehmend, gelingt ihr demgegenüber in den neunziger Jahren die Verwandlung vom einstigen "Haßobjekt" zum "Liebling der Nation" (291). Ständig im Fernsehen präsent, wird Schwarzer nun überschüttet mit begehrten Auszeichnungen, und zum zwanzigsten Geburtstag von Emma erhält sie Glückwünsche aus nahezu allen politischen Lagern.
Mikas Biographie liest sich spannend; sie ist bemüht um ein ausgewogenes Urteil, das die Verdienste Schwarzers für die deutsche Frauenbewegung berücksichtigt, aber auch nicht ihre persönlichen Schwächen und Defizite verschweigt. Ärgerlich ist jedoch die von der Autorin gewählte "fiktive Perspektive einer Augenzeugin", die ebenso wie die wie Küchenlatein anmutenden psychoanalytischen Deutungen des Charakters der Biographierten - hier bedient sich Mika ausgiebig bei der längst verstorbenen Karen Horney - zuweilen in wilden Spekulationen münden.
Julia Schmidt-Häuer (JSH)
Dr., Referentin im wissenschaftlichen Dienst der SPD-Bürgerschaftsfraktion in Bremen.
Rubrizierung: 2.36 | 2.37 | 2.331
Empfohlene Zitierweise: Julia Schmidt-Häuer, Rezension zu: Bascha Mika: Alice Schwarzer. Reinbek: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/5331-alice-schwarzer_6999, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 6999
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Dr., Referentin im wissenschaftlichen Dienst der SPD-Bürgerschaftsfraktion in Bremen.
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