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/ 21.06.2013
Jeanne Rubner

Brüsseler Spritzen. Korruption, Lobbyismus und die Finanzen der EU

München: C. H. Beck 2009 (Beck'sche Reihe 1899); 191 S.; 12,95 €; ISBN 978-3-406-58452-7
Politik ist Problemlösung und sollte in Demokratien dem gemeinwohlorientierten Interessenausgleich dienen. Im Mehrebenensystem der EU mit sowohl horizontaler wie vertikaler Gewaltenteilung zeigen sich diese jedoch häufig asymmetrisch: Wer handelt in Brüssel? Eine Bürokratie, Mitgliedstaaten, Parlamentarier, Lobbyisten? Die Autorin, Politikredakteurin der Süddeutschen Zeitung, beschreibt in diesem flüssig geschriebenen Essay anhand vieler Beispiele, wie der EU‑Haushalt konkret verwendet wird und zu welchen Kuriositäten es kommt, weil die Mitgliedstaaten systematisch nach dem Prinzip „juste retour“ möglichst hohe Rückflüsse durchzusetzen versuchen. Profiteure sind – entgegen wohlklingender Absichtserklärungen der Politik – weniger die Kleinbauern, denn die (Agrar‑)Industrie, von kuriosen Subventionsprojekten wie der Skipistenbau auf Bornholm ganz zu schweigen. Gekrönt wird solche Mittelverschwendung durch Mehrwertsteuerbetrug, den die EU‑Ebene aufgrund von Kompetenzstreitigkeiten mit den Mitgliedstaaten nicht wirksam bekämpfen kann. Im zweiten Teil des Buches beschreibt Rubner den Einfluss der Unternehmens‑ und Verbandslobbyisten auf die EU‑Akteure. Wie beim Billard ist auch in der Politik ein Spiel „über die Bande“ zwischen nationaler und europäischer Ebene oft erfolgreicher als der direkte Weg. Am Beispiel der kuriosen Biosprit‑Politik zeigt die Autorin den hohen Einfluss von Unternehmen und Verbänden auf die Gesetzgebung, bei der das Gemeinwohl leicht unter die Räder kommen kann. Und wie auf nationaler Ebene kommen auch auf EU‑Ebene Betrug und Korruption hinzu. Allerdings wird das Amt für Betrugsbekämpfung OLAF von den Mitgliedstaaten weiterhin an der kurzen Leine gehalten. Ihre Glaubwürdigkeit könne die EU, so Rubner in ihrem Resümee, nur verbessern, indem sie ihre komplizierten Strukturen reformiere und zu transparenteren Entscheidungsprozessen komme. Nur ein starkes Europa mit klaren Kompetenzen könne (grenzüberschreitenden) Betrug bekämpfen. Eine kleine annotierte Bibliographie rundet die Publikation ab. Bedauerlicherweise fehlt ein Register.
Burkard Steppacher (BKS)
Prof. Dr., Konrad-Adenauer-Stiftung; Forschungsinstitut für Politische Wissenschaft und Europäische Fragen, Universität zu Köln (http://www.jeanmonnetchair.uni-koeln.de/index.php?id=252).
Rubrizierung: 3.43.33.1 Empfohlene Zitierweise: Burkard Steppacher, Rezension zu: Jeanne Rubner: Brüsseler Spritzen. München: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/30598-bruesseler-spritzen_36339, veröffentlicht am 05.08.2009. Buch-Nr.: 36339 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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