/ 20.06.2013
Andreas Wehr
Das Publikum verlässt den Saal. Nach dem Verfassungsvertrag: Die EU in der Krise
Köln: PapyRossa Verlag 2006 (Neue Kleine Bibliothek 110); 206 S.; 14,90 €; ISBN 978-3-89438-342-8„Will man eines Tages ein Datum bestimmen, ab wann die neoliberale Orientierung in Europa in die Krise kam, wird man sich der Tage Ende Mai und Anfang Juni 2005 in Paris und Den Haag erinnern“ (8), als der Vertrag über eine Verfassung für Europa von den Franzosen sowie Niederländern in Referenden mehrheitlich abgelehnt wurde. Diese Voten haben gezeigt, so die Meinung des Mitarbeiters der „Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke“ im Europäischen Parlament, dass die Politik des Neoliberalismus und des damit verbundenen Sozial- und Demokratieabbaus in Europa auf wachsenden Widerstand treffe. Es sei offensichtlich, dass Zustimmung und Ablehnung des Verfassungsvertrages eng mit der sozialen Lage korrespondierten und so sei das Nein vor allem von den abhängig Beschäftigten getragen worden. Die Behauptung, dass innenpolitische Gründe zur Ablehnung geführt haben, bezweifelt er. Vielmehr habe man sich in Frankreich und den Niederlanden intensiv mit der Politik der EU auseinandergesetzt. Wehr zeichnet die Debatte der letzten Jahre nach. Er setzt sich dabei vor allem mit den Positionen von Sozialdemokraten und Grünen auseinander. Beide Lager würden dem Verfassungsvertrag nachtrauern, da er ihrer Meinung nach ein Mehr an Demokratie, ein sozialeres und sicherheitspolitisch eigenständigeres Europa gebracht hätte. Dies hält der Autor jedoch für eine Legende, denn der Verfassungsvertrag hätte den neoliberalen Kurs der Europäischen Union nicht korrigiert. Anhand der Themenfelder „Frieden und Sicherheit“ sowie „Wirtschaft und Demokratie“ stellt Wehr die Debatten über den Vertrag dar und bewertet sie. Ferner liefert er eine eingehende Analyse und Kritik des Verfassungsvertrages selbst. Das Buch schließt mit Vorschlägen zur Reform der EU ab. Zentral sei die weitere Demokratisierung, da sich nur so zugleich ein sozialeres Europa erreichen lasse. In einem Kapitel zeichnet Wehr den Verlauf der Debatte in Deutschland nach und beantwortet die Frage, warum es hierzulande nicht zu einem Referendum gekommen ist.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 3.2 | 3.7
Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Andreas Wehr: Das Publikum verlässt den Saal. Köln: 2006, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/25986-das-publikum-verlaesst-den-saal_30216, veröffentlicht am 25.06.2007.
Buch-Nr.: 30216
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Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
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