/ 05.06.2013
Benjamin Barber
Demokratie im Würgegriff. Kapitalismus und Fundamentalismus - eine unheilige Allianz. Aus dem Englischen von Günter Seib
Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1999; 311 S.; 24,90 DM; ISBN 3-596-13812-4Das 1995 im Original erschienene Buch des amerikanischen Politologen lebt vor allem von der scharf geschnittenen Unterscheidung zweier wirkungsmächtiger globaler Tendenzen, die sich im Wettstreit gegeneinander anschicken, eine postdemokratische Epoche einzuläuten. McWorld auf der einen Seite steht für das System der internationalisierten Märkte, das, immer weniger kontrollierbar durch Nationalstaaten, allein rendite- bzw. konsumorientiertes Verhalten zur Geltung kommen läßt. Die außerordentliche Dynamik von McWorld beruht nicht zuletzt auf einer Verschmelzung effizienter ökonomischer Transaktionen mit der eingängigen kulturellen Botschaft eines ungehinderten Individualismus, in dem schließlich McDonalds und Kentucky Fried Chicken als Ikonen der Freiheit erscheinen (10). Auf der anderen Seite bezeichnet Dschihad Bestrebungen eines dogmatischen Traditionalismus, der mit militanten Mitteln und auf der Basis askriptiver Merkmale (wie Blut, Rasse, Religion) Stammesidentitäten durchsetzen will. Zwar stellt der islamistische Fundamentalismus die spektakulärste Ausprägung des Dschihads dar (213 ff.), aber Barber verwendet diesen Ausdruck in einem weiten Sinne als "Metapher für den Kampf gegen den Westen und den Universalismus" (215). Folgt man dieser Gegenüberstellung, dann liegt der - Demokratie zerstörende - wechselseitige Steigerungseffekt auf der Hand: In dem Maße, wie McWorld eine Homogenisierung der Welt im Sinne eines privatkapitalistisch organisierten Disneylands anstrebt, erheben sich "parochiale Kräfte" (15), die dichte Gemeinschaften durch Ausgrenzung erzwingen wollen. Freilich gilt Barbers analytisches Interesse stärker der Ausbreitung von McWorld - namentlich dem internationalen Konzentrationsprozeß im Infotainment-Sektor (65 ff.) -, weil er hier die wenigstens langfristig überlegene Seite vermutet (22). Daher gelten seine abschließenden Überlegungen primär der Frage, wie Demokratie "in der Welt von McWorld" zu sichern sei (266 ff.). Die Antwort verweist noch einmal auf das von Barber schon früher entworfene kommunitaristische Bild einer "strong democracy", in der "kooperierende Gemeinschaften bewußt und für das Allgemeinwohl leisten, was die Märkte unbewußt für gebündelte Privatinteressen tun" (274). Der Reiz des Buches liegt gerade in dem ausdrücklichen - eine methodenbewußte Politologie gewiß irritierenden - Verzicht auf eine "neutrale" Beschreibung der Folgen von Globalisierung. Seine - auch politikwissenschaftliche - Stärke jedoch beruht auf dem Insistieren, daß politische Fragen stets auf einen Plural verweisen: "Konsumenten sagen nur 'ich', nur Bürger reden vom 'wir'" (250).
Inhalt: Vorwort zur Taschenbuchausgabe. I. Die neue Welt von McWorld: 1. Die Entstehung von McWorld; 2. Rohstoffverknappung: Das Ende der Autarkie und der Untergang des Abendlandes; 3. Der industrielle Sektor und der Aufstieg des Ostens; 4. Von harten Konsumgütern zu weicher Programmware; 5. Von der Programmware zu Dienstleistungen; 6. Hollywood: Die Videologie von McWorld; 7. Fernsehen und MTV: McWorlds lärmende Seele; 8. McWorlds Bildschirmliteratur und Vergnügungsparks; 9. Wem McWorld gehört: Die fieberhafte Medienfusion. II. Die alte Welt des Dschihad: 10. Dschihad gegen McWorld oder Durch McWorld zu Dschihad?; 11. Der Dschihad in den Demokratien; 12. China und die Pazifikstaaten; 13. Der Dschihad in den Übergangsdemokratien; 14. Der eigentliche Dschihad: Islam und Fundamentalismus. III. Dschihad gegen McWorld: 15. Dschihad und McWorld in der neuen Weltunordnung; 16. Der wilde Kapitalismus als Gegner der Demokratie; 17. Kapitalismus gegen Demokratie in Rußland; 18. Die Demokratie in der Welt von McWorld sichern.
Thomas Mirbach (Mir)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.2 | 2.23 | 2.25 | 5.41
Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Benjamin Barber: Demokratie im Würgegriff. Frankfurt a. M.: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/8068-demokratie-im-wuergegriff_10667, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 10667
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Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
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