Die Kritik am Europäischen Gerichtshof (EuGH) geht über eine bloße juristische Urteilskritik weit hinaus und zeigt sich immer vehementer als eine sowohl Autorität als auch Legitimität des Gerichts unterminierende Institutionenkritik. Denn oft greifen EuGH‑Urteile in souveräne Rechte der Mitgliedstaaten, die bewusst nicht übertragen wurden, ein. Aus diesem Grund haben Ulrich Haltern und Andreas Bergmann einen Sammelband zusammengestellt, der sich dieses court bashings wissenschaftlich annimmt. Die Beiträge gehen auf den 6. Hannoveraner Europatag 2009 zurück und betrachten den EuGH durch die Linse derer, die ihn kritisieren. Zu den Autoren zählen bekannte Größen wie Joseph H. H. Weiler und Hjalte Rasmussen; doch der aus politologischer Sicht interessanteste Beitrag stammt von Marcus Höreth. Er zeigt auf, wie die Judikative relativ an Macht gewinnt, wenn Exekutive und Legislative Macht abgeben. Der Band nimmt die doppelte Legitimation des EuGH unter die Lupe und untersucht, wie er auf beiden Legitimationsebenen – Bindung an demokratische Gesetze sowie Anwendung juristischer Verfahren – angreifbar ist. Er zeigt den Gerichtshof als politischen Akteur, der sich den Vorwurf des Übergriffs der judikativen in die legislative Gewalt gefallen lassen muss. Rasmussen spricht gar von „judicial imperialism“ (113) und sieht die EuGH‑Richter_innen als die eigentlichen Architekt_innen der europäischen Integration. All diese Kritik ist nicht neu; schon Charles de Gaulles hat 1968 versucht, den EuGH durch Vertragsrevision in die Schranken zu weisen. Doch die Kritik wird lauter und populistischer, weswegen eine wissenschaftliche Analyse, wie sie die Autoren bieten, überfällig war.