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/ 22.06.2013
Martin Block / Birgit Schulz

Die Anwälte. Ströbele, Mahler, Schily. Eine deutsche Geschichte

Köln: Fackelträger 2010; 315 S.; geb., 19,95 €; ISBN 978-3-7716-4456-7
Schulz drehte mit „Die Anwälte“ ihren ersten Kinofilm und geht man davon aus, dass das Buch dem Film im Aufbau folgt, kann man sich ihn als dicht und gut erzählt vorstellen. Im Prinzip trifft dies auch auf das Buch zu, das mithilfe von Block auf den Weg gebracht wurde. Entstanden ist eine gründliche populärwissenschaftliche Darstellung – nur: worüber eigentlich? Auf jeden Fall über zu viele Themen, die von den Lebensläufen der Anwälte und Politiker Schily, Ströbele und Mahler als Klammer in der schriftlichen Form kaum zusammengehalten werden können – zu vielschichtig sind einzelne Ereignisse wie langfristige Entwicklungslinien. Störend ist auch, dass die Autoren gänzlich ohne Fußnoten arbeiten und nicht einmal einen groben Literaturnachweis abdrucken, dabei haben sie auffällig mehr gelesen als den wiederholt explizit zitierten „Baader-Meinhof-Komplex“ von Aust. Grundsätzlich aber sind die drei Protagonisten klug gewählt, waren sie doch an entscheidenden Wegmarken in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik juristisch und/oder politisch aktiv dabei, angefangen von der Verteidigung der RAF-Terroristen gegen einen – so wird es deutlich – zu übereifrigen Rechtsstaat über die Anti-AKW- und Friedensbewegung, die Gründung der Grünen und die Flick-Affäre bis zum Jugoslawien-Krieg. Außerdem wäre allein Schilys Wandlung von einem Verteidiger des Rechtsstaates von links (als Anwalt) zum Bundesinnenminister ein eigenes Buch wert. Auf jeden Fall aber zeigt sich mit Blick auf Schily und den Grünen-Politiker Ströbele, der Mitglied im BND-Untersuchungsausschuss des Bundestages ist, so etwas wie ein politischer Ertrag aus der 68er- und den neuen sozialen Bewegungen. Beide stehen – jeder auf seine Weise – für eine Weiterentwicklung der Bundesrepublik. Mahler dagegen, der als linker Anwalt und dann als aktiver Unterstützer der RAF angefangen hat und schließlich als rechtsradikaler Holocaust-Leugner geendet ist, hat zwar als Kontrahent von Schily ein NPD-Verbot vor dem Bundesverfassungsgericht verhindern können. Er steht aber in seiner regressiven Entwicklung vor dem Hintergrund einer zerstörten Kindheit (sein nationalsozialistisch gesinnter Vater brachte sich nach Kriegsende um) als Einzelfall da, der aus der Geschichte gefallen ist.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.32.3132.37 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Martin Block / Birgit Schulz: Die Anwälte. Köln: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/32655-die-anwaelte_38977, veröffentlicht am 21.09.2010. Buch-Nr.: 38977 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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