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/ 20.06.2013
Markus Stanat

Die französische Nationalversammlung und die Europäische Union. Zwischen parlamentarischer Tradition und europäischer Integration

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2006 (Forschungen zur Europäischen Integration 13); 334 S.; brosch., 39,90 €; ISBN 978-3-531-14533-4
Politikwiss. Diss. Osnabrück; Gutachter: I. Tömmel, W. Asholt. – Die 1979 etablierte „Délégation de l’Assemblée nationale pour l’Union européenne“ ist die – späte – Reaktion des französischen Parlaments auf seine schleichende Entmachtung durch die Europäische Union, so Stanats These. Während sich in anderen Ländern frühzeitiger parlamentarische Gremien für europapolitische Fragen bildeten, hinderten in Frankreich historische und politische Entwicklungen diesen Schritt. Das Parlament als Ganzes sollte in der V. Republik „rationalisiert“ werden, wozu auch die Beschränkung auf lediglich sechs ständige Ausschüsse zählte, heißt es weiter. Seit ihrer Konstitution 1979 hat sich die EU-Delegation jedoch immer stärker in die Angelegenheiten des Parlaments eingebracht und so den Status eines Quasi-Ausschusses erreicht. Bislang fehlte eine Untersuchung, die sich explizit mit den Funktionen der EU-Delegation unter bestimmten Traditionsmustern französischer Außenpolitik und der inner-französischen Verfassungslage auseinandersetzt. Stanat schließt diese Forschungslücke, indem er den rechtlichen und politischen Etappen zur Entstehung, den Arbeits- und Funktionsweisen der Delegation nachgeht, die Bedeutung des Gremiums für die parlamentarische Arbeit und den Beitrag zum europäischen Willensbildungsprozessen untersucht. Gestützt auf Auswertungen von Parlamentsreden, Parlamentsberichten und Publikationen der EU-Delegation erörtert er deren gestiegene Bedeutung als „Informationsmotor und Transmissionsriemen für europäische Angelegenheiten“ (305). Stanat widerspricht denn auch der in der Forschung gängigen Auffassung einer in ihren Handlungsmöglichkeiten begrenzten Nationalversammlung mit dem Argument, dass die EU-Delegation - trotz rechtlich niedrigem Status - jede europäische Vorlage bearbeiten, diskutieren und dazu Resolutionen einreichen kann. In hervorragender Weise erörtert der Autor die Entwicklung des lange Zeit von der Regierung ignorierten intraparlamentarischen Arbeitorgans hin zum geschätzten Kooperationspartner der französischen Regierung für die Vertretung französischer Interessen auf europäischer Ebene.
Eva Voß (EV)
Dr., Politikwissenschaftlerin, Senior Referentin für Diversity Management bei der Bertelsmann AG.
Rubrizierung: 2.612.213.1 Empfohlene Zitierweise: Eva Voß, Rezension zu: Markus Stanat: Die französische Nationalversammlung und die Europäische Union. Wiesbaden: 2006, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/23966-die-franzoesische-nationalversammlung-und-die-europaeische-union_27566, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 27566 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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