/ 11.06.2013
Gerhard Besier / Erwin K. Scheuch (Hrsg.)
Die neuen Inquisitoren. Religionsfreiheit und Glaubensneid. Teil 1
Osnabrück: Fromm 1999 (Texte + Thesen 277); 535 S.; 36,- DM; ISBN 3-7201-5277-4Im Juni 1998 legte die vom Deutschen Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission zu "Sogenannten Sekten und Psychogruppen" ihren Endbericht vor. Übereinstimmend sei festgestellt worden, daß die neuen religiösen und weltanschaulichen Bewegungen "keine größeren Gefahren bergen als das, was von vergleichbaren sozialen Kontexten auch ausgeht" (10). Dennoch seien dem widersprechende gesetzgeberische Handlungsempfehlungen ausgesprochen worden, die einerseits zu einer Verschwendung von Steuergeldern führten, zum anderen "latent in der Gesellschaft vorhandene Vorurteile und Feindbilder in bezug auf Minderheiten" (15) bedienten. "Der Enquete-Kommission ging es um 'die Moderne' ... Sie meint, an die Stelle der mittelalterlichen sei die moderne Weltanschauung getreten, an die Stelle von Folter und Feuer der Rufmord. Auch die moderne Weltanschauung habe Anspruch auf ein öffentliches Geltungsmonopol, das unerbittlich durchzusetzen sei. Man könnte diese Anschauung den 'modernistischen Fundamentalismus' nennen. Dieser hat drei wesentliche Charakteristiken der Moderne nicht wahrgenommen: die Freiheit, die Achtung vor der Würde der Person, die weltanschauliche Neutralität des Staates." (23) Dieser erste Teilband stellt "wissenschaftliche Aufsätze, Essays und Polemiken" zusammen. Ein zweiter Teilband ist geplant, der "als Dokumentation angelegt [ist] und [...] gutachtliche Stellungnahmen und ausgewählte Petitionen der betroffenen Religionsgemeinschaften" (24) zusammenfaßt.
Inhalt: Kulturelle Selbstorganisationskraft in Freiheit: Hermann Lübbe: Der Staat und das Seelenheil (28-34); Hermann Lübbe: Religionskulturelle Trends in Modernisierungsprozessen (35-52); Bassam Tibi: Organisierte Religion wie in der katholischen und protestantischen Kirche: Ein Vorbild für die Islam-Diaspora? (53-77); Massimo Introvigne: Religiöse Minderheiten und "moral panics" (78-99); H. Newton Malony: Bewußtseinskontrolle aus psychosozialer Perspektive (100-132). Das Recht kennt keine Häresie. Religionsfreiheit und Minderheitenreligionen: James E. Wood, Jr.: Religiöse Gleichheit versus religiöse Diskriminierung (134-155); Heinrich Scholler: Toleranz und Fairneß als objektiver Schutzgehalt der Religionsfreiheit (156-173); Hermann Weber: Minderheitenreligionen in der staatlichen Rechtsordnung (174-210); Heinrich Wilms: Staatliche Freiheitsbeschränkungen gegen Minderheitskirchen (211-227); Johannes Neumann: Wenn Juristen "Schutzengel" spielen, ist die Religionsfreiheit in Gefahr (228-254); Konrad Löw: "Auf, auf zum fröhlichen Jagen". Erfahrungen mit Manichäern (255-267). "Keine Gefahr für Staat und Gesellschaft". Auseinandersetzungen mit dem Endbericht der Enquete-Kommission: Hans Apel: Kein "Glaubens-TÜV" (270-280); Erwin K. Scheuch: Staatliche "Schutzengel" sind unnötig (281-305); Martin Kriele: Die rechtspolitischen Empfehlungen der Sektenkommission (306-339); Hubert Seiwert: Der Staat als religiöser Parteigänger? Zu den Widersprüchlichkeiten des Mehrheitsberichtes der deutschen Enquete-Kommission (340-359); Gerhard Besier: Ist ein "Lebensbewältigungshilfe-Gesetz" (LBewHG) nötig? (360-371); Heiner Barz: Doctor Jekyll und Mr. Hyde beraten das Sektenproblem (372-381). Befangene "Experten"? Zur Rolle kirchlicher Sektenbeauftragter: Martin Kriele: Der Fundamentalismus der Moderne (382-393); Martin Kriele: Die faschistischen Züge der Sektenjagd (394-403); Jürgen Redhardt: Der permanent paranoische Blickwinkel der Sektenexperten, dargestellt am Beispiel der negativen Beurteilung der Vereinigungskirche (404-420); Hubertus Mynarek: Neun "goldene" Regeln für die neuen Inquisitoren (421-438). "Deutschland hat eine Verantwortung". Religiöse Minderheiten und Vorurteilsbildung: Kenneth B. Fradkin: Religionsfreiheit aus der Sicht eines Rabbiners (440-452); Derek H. Davis: Fortschritt des Wahnsinns: Die erneuerte Verfolgung unpopulärer Religionen durch Deutschland in historischer Perspektive (453-485); Gabriele Yonan: Die Zeugen Jehovas in Deutschland: Bemühungen einer Religionsgemeinschaft um Anerkennung (486-499).
Heinz-Werner Höffken (Hö)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg.
Rubrizierung: 2.23 | 2.35
Empfohlene Zitierweise: Heinz-Werner Höffken, Rezension zu: Gerhard Besier / Erwin K. Scheuch (Hrsg.): Die neuen Inquisitoren. Osnabrück: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/9883-die-neuen-inquisitoren_11656, veröffentlicht am 25.06.2007.
Buch-Nr.: 11656
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Dr., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg.
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