/ 06.06.2013
Manfred Prisching (Hrsg.)
Ethik im Sozialstaat
Wien: Passagen Verlag 2000 (Reihe Sozialethik der Österreichischen Forschungsgemeinschaft 1); 366 S.; brosch., 82,- DM; ISBN 3-85165-376-9Der Band dokumentiert die erste Tagung der neugegründeten Arbeitsgemeinschaft "Sozialethik" der Österreichischen Forschungsgemeinschaft. Vor dem Hintergrund des "'globalisierte[n]' Turbokapitalismus" (11) werden vor allem zwei Fragen behandelt: Welche Zukunft hat der europäische Sozialstaat? Und: Was hält die modernen Gesellschaften zusammen, wenn die moralischen Bindungen, die ursprünglich Gemeinschaft konstituierten, verloren gehen? Die Beiträge im ersten Teil geben einen Überblick über die historische Entwicklung des Sozialstaats, aktuelle Entwicklungstendenzen (Pankoke) und die Argumente, die in der aktuellen Diskussion für und gegen den Wohlfahrtsstaat vorgebracht werden (Prisching). Der zweite Teil befasst sich mit dem Gemeinwohlverständnis im Wohlfahrtsstaat und der Auswirkung der Individualisierung. In einem dritten Teil werden theoretische Konsequenzen der aktuellen Entwicklung des Sozialstaats behandelt und im vierten Teil einzelne Aufgabenbereiche des Sozialstaats analysiert. Der gemeinsame Nenner aller Beiträge ist der Pluralismus, der nur bei Sturn thematisiert wird. In einer Nebenbemerkung zeigt der Autor – wohl ohne sich der Tragweite seiner Äußerung bewusst zu sein – den Geist des hier vorausgesetzten Pluralismus: Die zahlreichen Dissense, die der Pluralismus in der modernen Gesellschaft bewirkt, "werden durch das abstrakt-universelle Verteilungsmedium 'Geld' teils aufgehoben, denn mit gewissem Recht wird vermutet, dass Geld trotz aller Heterogenität der Lebensformen allgemein geschätzt wird" (220). Am Portemonnaie hört der Pluralismus (so wie er hier verstanden wird) auf – ist er dann nicht ziemlich uniform?
Inhalt: Im Rückblick und im Rundblick: Eckart Pankoke: Sozialethiken und Wohlfahrtskulturen. Grenzen und Schwellen wohlfahrtsstaatlicher Modernität (13-36); Manfred Prisching: Wohlfahrtsstaatliche Ideologien. Über Ideen und Argumente beim Rückbau des Sozialstaates (37-130). Zwischen Gemeinwohl und Individualisierung: Karsten Fischer: Gemeinwohlrhetorik und Solidaritätsverbrauch. Bedingungen und Paradoxien des Wohlfahrtsstaates (131-154); Ronald Hitzler: "Vollkasko-Individualisierung"? Zum Phänomen der Bastelexistenz unter Wohlfahrtsstaatsbedingungen (155-172); Susanne Heine: Wandel der Glückseligkeiten. Der Wohlfahrtsstaat als Schicksalsmacht? (173-194). Theoretische Eindeutigkeiten und Ambivalenzen: Birger P. Priddat: Die Wirtschaftstheorie und ihre Schwierigkeiten mit dem Wohlfahrtsstaat – Konstitutionentheoretische Alternativen am Beispiel der Sozialpolitik (195-218); Richard Sturn: Sozialpolitik in Marktgesellschaften. Normative Grundfragen im Lichte sozioökonomischer Trends (219-256). Theoretische Modelle und empirische Befunde: Franz Kolland: Ökonomisierung des Privaten – Privatisierung des Öffentlichen. Das Beispiel der Generationengerechtigkeit (257-282); Gerold Mikula: Subjektive Gerechtigkeitsvorstellungen und Ungerechtigkeitswahrnehmungen. Beiträge der sozialpsychologischen Forschung (283-303); Peter Koller: Arbeitslosigkeit und Gerechtigkeit. Beschäftigungssicherung und Mindesteinkommen (305-328); Irene Dyk: Rationale Strategien und irrationale Märkte. Anmerkungen zu "Arbeitslosigkeit und Gerechtigkeit" (329-339); Josef Gunz: Wohlfahrtsstaat – im Zwielicht. Integration versus Ausgrenzungsmechanismen von AusländerInnen (341-361).
Hendrik Hansen (HH)
Dr., Lehrbeauftragter, Politische Theorie und Ideengeschichte, Universität Passau.
Rubrizierung: 2.22 | 2.262
Empfohlene Zitierweise: Hendrik Hansen, Rezension zu: Manfred Prisching (Hrsg.): Ethik im Sozialstaat Wien: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/8722-ethik-im-sozialstaat_13413, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 13413
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Dr., Lehrbeauftragter, Politische Theorie und Ideengeschichte, Universität Passau.
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