Diss. Gießen; Gutachter: D. Eißel, P. Schmidt. – Während Europa zu Beginn des 20. Jahrhunderts verstört nach Großbritannien schaute, wo Frauen es wagten, mit militanten Methoden wie dem Niederbrennen von Sportanlagen, dem Einschlagen von Fensterscheiben und anderen öffentlichkeitswirksamen Aktionen für ihr Wahlrecht zu kämpfen, hört man heute nur noch wenig frauenpolitisch Interessantes von der Insel. Im Gegenteil: Die politische Partizipation von britischen Frauen ist im europäischen Vergleich gering. Dafür macht Ruhl neben den drei üblichen Determinanten zur Erklärung politischer Teilhabe (institutionelle und soziostrukturelle Faktoren, politische Kultur) eine vierte Kategorie, nämlich die der Identität, verantwortlich. In einem komplexen Zusammenspiel verschränken sich diese Faktoren mit der Kategorie Gender sowie postkolonialen Diskursen derart wirkungsvoll, dass nur eine niedrige politische Partizipationsrate von britischen Frauen erzielt wird. Zur Überprüfung der These, dass Identität bei der politischen Teilhabe von Frauen eine Rolle spiele, befragt Ruhl sowohl weibliche Labour-Abgeordnete des britischen Unterhauses als auch Frauen, die für die Labour-Partei um einen Sitz im House of Commons kandidieren. Die Auswertung dieser Interviews ergibt eine viergliedrige Typen-Bildung von Politikerinnen, welche das Verhältnis von Identität und politischer Partizipation widerspiegeln und damit Rückschlüsse auf die politische Praxis zulassen soll. Da die Studie allerdings nur mit Vertreterinnen einer Partei durchgeführt wurde, ist es höchst fraglich, ob sich diese Typologie auch problemlos auf andere Parteien oder gar andere Länder anwenden ließe.