/ 19.06.2013
Bettina Bannasch / Almuth Hammer (Hrsg.)
Verbot der Bilder - Gebot der Erinnerung. Mediale Repräsentation der Schoah
Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2004; 418 S.; kart., 39,90 €; ISBN 3-593-37485-4Das Bilderverbot ist ein konstitutives Kennzeichen der jüdischen Religion und die Frage nach einer bildlichen Darstellung des singulären Menschheitsverbrechens, des Holocausts, ist deshalb von ganz besonderer Brisanz. Sie kommt in dem Diktum des deutsch-jüdischen Philosophen Adorno, nach Auschwitz dürften keine Gedichte mehr geschrieben werden, in aller Schärfe zum Ausdruck. Während Adorno das Motiv des Bilderverbots zu einer radikalen Negativität philosophischer Darstellung überhaupt ausbaut, hat der Literaturnobelpreisträger Kertez unlängst die in Symbolen sprechende Kunst vom Darstellungsverbot ausgenommen und behauptet, der Holocaust sei nur als Literatur darstellbar. Das Buch widmet dieser theoretischen Dimension des Bilderverbots in Theologie, Philosophie und Ästhetik breiten Raum. Daneben kommen jedoch auch stärker empirisch ausgerichtete Beiträge, die das Problem des Bilderverbots anhand der Denkmalsdiskussion oder des medialen Holocaust-Fetischismus in den Blick nehmen, zu ihrem Recht. Bannasch und Hammer gelingt es einzulösen, was viele interdisziplinär ausgerichtete Sammelbände bloß vorgeben: unterschiedliche Perspektiven und Disziplinen miteinander ins Gespräch zu bringen, ohne dabei den einen gemeinsamen Gegenstand aus dem Auge zu verlieren.
Aus dem Inhalt:
I. Begründungen des Bilderverbots:
Philosophie
Jens Mattern:
Hitlers „Erinnerung“ an die jüdische Existenz. Das Umschlagen antisemitischer Verfolgung in metaphysische Erwählung im Denken von Emmanuel Lévinas (25-44)
Christina Pfestroff:
Bildlichkeitsgebot. Jean-François Lyotards Relativierung des Zeugnisses (45-60)
Soziologie
Andreas Langenohl:
Die Dialektik von Vernunft und Natur und ihre bestimmte Negation. Zum Motiv des Bilderverbots in der kritischen Theorie (61-80)
II. Applikation und Grenzen:
Psychologie
Julia Chaitin / Dan Bar-On:
Erinnern und Sprechen, Erinnern(?) und Schweigen. Eltern-Kind-Beziehungen während des Holocaust (83-98)
Revital Ludewig-Kedmi:
Ambivalenz im Umgang mit der Schoah. Psychologische Perspektiven von Erzählgeboten und Erzählverboten (99-116)
Pädagogik
Matthias Heyl:
Bildverbot und Bilderfluten (117-129)
Ursula Stenger:
Dimensionen des Bildes. Anthropologische Überlegungen mit einem Blick auf die Schoah (131-146)
Geschichtswissenschaft
Christoph Münz:
„Wohin die Sprache nicht reicht...“. Sprache und Sprachbilder zwischen Bilderverbot und Schweigegebot (147-166)
Habbo Knoch:
Technobilder der Tat. Der Holocaust und die fotografische Ordnung des Sehens (167-188)
III. Repräsentation und Ästhetik
Kunstgeschichte
Martin Schulz:
Fotografische Repräsentation der Schoah. Zur ikonoklastischen Kritik an ihrer bildmedialen Vergegenwärtigung (191-210)
Carsten Probst:
Nach der Erinnerung. Transformation und Grenze des Symbolischen in aktuellen künstlerischen und architektonischen Repräsentationen der Schoah (211-232)
Medienwissenschaft
Moshe Zimmermann:
Hollywoods Bilderverbot. Das „Dritte Reich“ in Real Time (233-256)
Rembert Hüser:
Augen machen (257-279)
Musikwissenschaft
Eckhard Tramsen:
Schweigen in der Musik (281-291)
Bettina Schlüter:
„Hör-Bilder“. Mediale Substitutions- und Transformationsprozesse in musikalischer Repräsentation der Schoah (293-303)
Literaturwissenschaft
Manuela Günter:
Repräsentation im Schreiben Überlebender (305-318)
Bettina Bannasch:
Die hohe Kunst des Verdrängens. Literarische Inszenierungen der Grenzen von Erinnerung (319-343)
IV. Begründbarkeit der Bilderverbote
Judaistik/Theologie
Michael Tilly:
Bild und Bildlosigkeit in der synagogalen Architektur (347-357)
Paul Petzel:
„...kein Bildnis machen!“ beim Erinnern? Theologische Überlegungen zur ästhetischen Repräsentationskritik (359-380)
Kulturwissenschaft
Detlef Hoffmann:
Bildliche und bildlose Repräsentation (381-396)
Almuth Hammer:
„Vergessen oder Gerechtigkeit?“ Sakralitätskonzepte im Umgang mit der Schoah (397-409)
Florian Weber (FW)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.23 | 2.35
Empfohlene Zitierweise: Florian Weber, Rezension zu: Bettina Bannasch / Almuth Hammer (Hrsg.): Verbot der Bilder - Gebot der Erinnerung. Frankfurt a. M./New York: 2004, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/20686-verbot-der-bilder---gebot-der-erinnerung_24128, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 24128
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M. A., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
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