Gaus, 74-jährig im Mai 2004 verstorben, war schon zu Lebzeiten museumsreif: Im Haus der Geschichte der Bundesrepublik sind seine etwa 180 Interviews, mit denen er seit 1963 in den Sendungen „Zur Person“, „Zu Protokoll“, „Deutsche“ Persönlichkeiten aus Politik und Kultur porträtierte, archiviert. In seiner Autobiografie, an der er bis zu seinem Tod arbeitete und die er nicht vollenden konnte, bezeichnet er sich - nicht ohne Stolz - als den dienstältesten TV-Interviewer der Welt. Auch auf seine Arbeit bei der Süddeutschen Zeitung, als Programmdirektor beim SWF und als Chefredakteur des „Spiegel“ blickt er mit Genugtuung zurück – wohl um diese Eitelkeit wissend. Leider brechen seine Aufzeichnungen vor der Ernennung zum Ständigen Vertreter der Bundesrepublik in Ost-Berlin ab. Insgesamt hält sich Gaus, von Ausnahmen abgesehen, mit Anekdoten zurück, möchte aber ab und zu noch einmal etwas richtig stellen. So verwahrt er sich gegen die sinnentstellende Verwendung seiner Formulierung der „Gnade der späten Geburt“ (114) durch Helmut Kohl. Gaus, der sich als linker Konservativer einordnete, hatte eigentlich darüber nachgedacht, wie er sich wohl in der NS-Zeit verhalten hätte, ob er stark genug gewesen wäre, dieser Diktatur zu widerstehen. Sehr lesenswert sind außerdem seine Reflexionen über die Veränderungen, die das Fernsehen für die Politik bedeutete, außerdem sein ausgiebiges Porträt Herbert Wehners – Gaus beschreibt ihn eindrucksvoll in einer persönlichen Nahaufnahme. Für ihn bestand kein Zweifel an Wehners zutiefst demokratischer Gesinnung, über dessen Moskauer Vergangenheit Gaus sich (siehe zur „Gnade der späten Geburt“) nicht anmaßt zu urteilen.