/ 03.06.2013
Christiane Griese / Helga Marburger
Zwischen Internationalismus und Patriotismus. Konzepte des Umgangs mit Fremden und Fremdheit in den Schulen der DDR
Frankfurt a. M.: IKO-Verlag für Interkulturelle Kommunikation 1995 (Interdisziplinäre Studien zum Verhältnis von Migrationen, Ethnizität und gesellschaftlicher Multikulturalität 6); 209 S.; 32,- DM; ISBN 3-88939-025-0Ausländerfeindlichkeit und Ressentiments gegen Ausländer in den neuen Bundesländern veranlaßten die Autorinnen dazu, nach den Erziehungs- und Bildungskonzeptionen in der DDR zum Umgang mit Fremden und Fremdheit zu fragen. Zu diesem Zweck haben sie eine Fülle von Quellen ausgewertet, u. a. Lehrpläne und -bücher. Im Rahmen ihrer Analyse sind Griese / Marburger nicht auf Aussagen gestoßen, die das Verhältnis zu Fremden "als Aufgabe" (5) formulierten. Zwar wurden "Völkerfreundschaft" und "Solidarität" in der DDR immer wieder postuliert, doch ging es nicht um den persönlichen Umgang des Einzelnen mit dem Fremden, sondern lediglich um Elemente der sozialistischen Internationalismuskonzeption, die in einem Spannungsverhältnis zum "Patriotismus" stand. Sowohl "Internationalismus" als auch "Patriotismus" waren Verfassungsgebote, die durch die Erziehung zu Charakteristika der "'sozialistischen Persönlichkeit'" werden sollten. Die Analyse wird innerhalb dieses "Begriffsrahmens" (6) vorgenommen.
Ergebnis: Bei Fremden wurde zwischen Freunden und Feinden unterschieden. Zur Beurteilung von Fremden wurden gewisse Kriterien (wie z. B. Leistungsfähigkeit) zugrunde gelegt. Die totale Abgrenzung gegenüber dem Klassenfeind, zu dem jeder Kontakt ausgeschlossen wurde, die Selbstidealisierung, die Pflicht zur Identität mit dem Eigenen, gekoppelt mit typisch deutschen Werten, bewirkte eine "(ost)deutsche, mithin ethnische Identität" (198). Ethnische und kulturelle Unterschiede wahrzunehmen, wurde nicht erlernt. Aufgrund ihrer Analyse kommen die Autorinnen zur Hypothese, daß auch heute noch die in den DDR-Schulen vermittelte "ethnozentrische Sicht auf Fremde und Fremdheit" (197) vorherrscht.
Inhaltsübersicht: 1. Ziele, Prämissen und Vorgehensweise der Studie; 2. Schule und ideologische Erziehung in der DDR; 3. "Jugend aller Nationen, uns vereint gleicher Sinn, gleicher Mut!". Das Fremde als Konzept der Gleichheit; 4. "Patrioten erziehen, die ihrer Heimat treu ergeben sind." Das Fremde im Konzept des Eigenen; 5. "Klassenkampf - (k)ein altes Thema". Das Fremde als Feind; 6. "Gleichheit aller Bürger ohne Unterschied der Rassen und strengste Bestrafung aller Äußerungen des Rassenhasses." Rassismus und Faschismus als Ideologie und Praxis der anderen; 7. Resümee. Gegen die These von der schlechten Praxis.
Sabine Steppat (Ste)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.313 | 2.35
Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Christiane Griese / Helga Marburger: Zwischen Internationalismus und Patriotismus. Frankfurt a. M.: 1995, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/1395-zwischen-internationalismus-und-patriotismus_1570, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 1570
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Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
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